Ein Handelskrieg, der Daten verschiebt
Eigentlich war die Sache klar: Wer Cloud braucht, setzt auf Amazon, Microsoft oder Google. Die Marktanteile sprachen eine eindeutige Sprache – bis Donald Trump entschied, diese Weltordnung zu stören.
Mit Zöllen, Drohungen und geopolitischer Rhetorik treibt der US-Präsident nicht nur Lieferketten in die Krise, sondern auch Tech-Kunden in die Flucht. Ziel: Anbieter außerhalb der USA. Profiteure: deutsche Cloud-Dienste.
62 % Wachstum – made in Germany
Peer Heinlein, Gründer von OpenCloud und Mailbox.org, spricht von einem „Ansturm“, wie ihn sein Unternehmen in dieser Form noch nie erlebt hat. Seit Jahresbeginn seien die Nutzerzahlen um über 60 % gestiegen.
Behörden, Mittelständler, große Organisationen – sie alle suchten Alternativen zu US-Anbietern. Nicht mehr aus Bequemlichkeit, sondern aus politischem Kalkül.
Auch Nextcloud-Gründer Frank Karlitschek berichtet von „dreimal so vielen Anfragen wie üblich“. Die Anlässe sind oft eindeutig: „In mehreren Fällen kamen Kunden direkt nach öffentlichen Drohungen Trumps gegen US-Unternehmen auf uns zu.“
Datensouveränität wird zum Standortvorteil
Was früher ein Datenschutz-Nischenthema war, wird nun zur strategischen Entscheidung. „Wir wollen die Kontrolle über unsere Daten behalten“ – ein Satz, der in Europa lange mit DSGVO und Bürokratie assoziiert wurde, wird plötzlich zur Standortfrage.
Wer seine Daten in Rechenzentren in Frankfurt oder München speichert, entzieht sie dem Zugriff US-amerikanischer Behörden – oder einem politischen Kurswechsel à la Trump.

Vor allem öffentliche Institutionen und regulierte Unternehmen beginnen, nicht nur über Preis und Leistung nachzudenken – sondern über politische Verlässlichkeit.
David gegen Goliath – aber diesmal mit Rückenwind
Im weltweiten Cloudgeschäft beherrschen Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Google rund zwei Drittel des Marktes.
Deutsche Anbieter wie OpenCloud, Nextcloud oder IONOS galten lange als Außenseiter – technisch solide, aber chancenlos gegen die Skalierung der Giganten.
Doch das Narrativ beginnt zu kippen. Die neue Nachfrage bringt nicht nur Kunden, sondern auch Investoreninteresse, politische Rückendeckung – und das Gefühl, Teil einer strategisch wichtigen Infrastruktur zu sein.
Frank Karlitschek fasst es nüchtern zusammen: „Früher mussten wir erklären, warum wir wichtig sind. Heute rufen uns die Leute an.“
Digitale Souveränität als Standortfaktor – nicht nur für Europa
Was sich hier abzeichnet, ist mehr als ein Stimmungswechsel. Es ist ein Paradigmenwechsel. Unternehmen, die einst stolz auf US-Zertifikate und Partnerschaften mit Microsoft oder Google verwiesen, fragen heute: Was passiert, wenn Trump morgen wieder Präsident ist? Was, wenn Sanktionen, Zugriffsbefugnisse oder neue Exportregeln die Geschäftsgrundlage über Nacht kippen?
Die Frage ist nicht länger: Ist der US-Cloudanbieter billiger? Sondern: Können wir es uns leisten, weiterhin von ihm abhängig zu sein?