Ein Superjet, der alles kann– das klingt nach Science-Fiction. Doch genau das soll das FCAS werden: das „Future Combat Air System“, das europäische Kampfflugzeug der sechsten Generation.
Ein Jet, der nicht nur fliegt, sondern denkt. Der Drohnen kommandiert, unentdeckt vordringt, im Schwarm operiert – und Europas Luftwaffe von der US-Abhängigkeit befreit. Das Problem: Er existiert bisher nur auf dem Reißbrett. Und die Zeit läuft davon.
Während die USA bereits an der Nachfolge der F-35 arbeiten, dümpelt das europäische Milliardenprojekt zwischen industriepolitischen Eifersüchteleien und diplomatischen Leerformeln.
Airbus und Dassault sind sich in vielen Fragen noch immer nicht einig – über Führungsrollen, Zuständigkeiten, Rechte an der Software. Und das, obwohl der neue Jet nicht vor 2040 serienreif sein soll. Kritiker fragen längst: Ist das ambitionierte FCAS-Projekt eigentlich noch zu retten?
Milliardeninvestition ohne Motor?
Die technische Vision ist kühn. FCAS soll ein System aus bemannten Kampfjets, Drohnenschwärmen und einer zentralen „Combat Cloud“ werden – einer digitalen Kommandozentrale, die alle Informationen in Echtzeit verarbeitet und die Luftlage mit Hilfe künstlicher Intelligenz analysiert. Gekämpft wird mit Daten, nicht nur mit Raketen.
Aber die Ambitionen kollidieren mit der Realität. Zwar arbeiten inzwischen rund 1.000 Ingenieure in Deutschland und Frankreich am Antrieb des Systems, doch auch das Triebwerk selbst ist noch Zukunftsmusik. MTU und Safran sollen gemeinsam eine „New Generation Fighter Engine“ entwickeln, die leiser, stärker, effizienter ist als alles bisher Dagewesene – und auch gleich noch als Generator für elektronische Kriegssysteme funktioniert.

Die Herausforderung: ein Triebwerk, das für Überschallkampf und Gleitflug zugleich geeignet ist. Und: Das Projekt wird zu zivilen Zwecken mitentwickelt – aus Kostengründen. Militärisch effizient, wirtschaftlich verwertbar, aber bitte ohne sicherheitspolitisches Risiko? Ein Drahtseilakt.
Der digitale Schwachpunkt Europas
Das größte Defizit liegt nicht im Triebwerk, sondern im Code. In der „Combat Cloud“ sollen Sensoren, Piloten, Drohnen und Bodenstationen verschmelzen. Daten aus Radar, Wärmebild, Kameras – alles fließt zusammen, wird per KI interpretiert und liefert Handlungsempfehlungen in Sekundenbruchteilen.
Doch genau hier hinkt Europa dramatisch hinterher. Während die USA mit ihrer Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) militärische Grundlagenforschung systematisch vorantreiben, scheitert FCAS an deutschen Zivilklauseln, die militärische Beteiligung von Forschungseinrichtungen blockieren. Airbus-Defence-Chef Michael Schöllhorn nennt das „aus der Zeit gefallen“. Damit hat er recht.
Die Industrie mahnt, die Politik schweigt. Zwar hat der Bundestag zuletzt unbegrenzte Kreditermächtigungen für Verteidigungsausgaben beschlossen. Doch ohne politische Führung ist auch ein volles Budget nur ein Papierdokument.
Konkurrenz aus Asien – und dem eigenen Kontinent
Die eigentliche Gefahr für FCAS kommt nicht aus Russland oder China – sondern aus Europa selbst. Denn Großbritannien, Italien und Japan treiben unter dem Label „Global Combat Air Programme“ (GCAP) ein eigenes Jetprojekt voran. Erste Prototypen sollen 2027 abheben.
Die japanische Industrie bringt Elektronikkompetenz, Großbritannien Know-how bei Tarnkappentechnologien, Italien industrielle Skalierung. Gemeinsam könnten sie Airbus und Dassault den Rang ablaufen. Sollte es zu keinem Zusammenschluss kommen, steht Europas Glaubwürdigkeit in der Rüstungskooperation endgültig zur Disposition.
Denn klar ist: Zwei milliardenschwere Kampfjet-Programme parallel – das ist weder industriell noch politisch tragbar. Frankreich, Deutschland und Spanien werden kaum mehr als 500 Maschinen abnehmen. Die Amerikaner haben über 3.000 F-35 im Portfolio – und drücken damit den Stückpreis dramatisch. Ohne internationale Partner bleibt FCAS ein zu teures Unikat.
Was jetzt passieren muss
Wenn FCAS nicht zur Fata Morgana werden soll, braucht das Projekt Führung – und Tempo. Airbus-Chef Schöllhorn fordert eine europäische „DARPA“, Experten wie Michael Santo drängen auf einen ersten Prototyp vor 2030. Und tatsächlich: Elon Musk und Jeff Bezos haben gezeigt, was in der Luft- und Raumfahrt mit radikalem Projektmanagement möglich ist.
Europa könnte das auch. Aber es müsste wollen. Eine neue Regierung in Berlin, der Wahlsieg von Keir Starmer in London – das politische Momentum ist da. Und nie war die strategische Lage klarer: Europa muss militärisch souveräner werden – oder sich dauerhaft unterordnen. FCAS ist kein Tech-Spielzeug, sondern ein geopolitisches Statement.
Ob es gelingt, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Wer den Himmel verliert, verliert den Krieg – und vielleicht auch ein Stück seiner Selbstbestimmung.
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