Ein politisches Erdbeben erschüttert Südkorea: Der Nationalversammlung gelang es, Präsident Yoon Suk Yeol aufgrund seines kontroversen Vorstoßes zur Verhängung des Kriegsrechts Anfang dieses Monats abzusetzen. Ein landesweites Aufatmen folgte der Verkündung des Amtsenthebungsverfahrens am 14. Dezember, begleitet von jubelnden Menschenmengen außerhalb des Parlaments. Mit der K-Pop-Hymne „Into the New World“ von Girls‘ Generation auf den Lippen feierten die Bürger das Ende einer zehn Tage währenden politischen Odyssee.
Der bemerkenswerte, jedoch zum Scheitern verurteilte Versuch von Präsident Yoon, das Kriegsrecht durchzusetzen, traf auf entschiedenen Widerstand. Selbst in seinen eigenen Reihen fand der Präsident nur bedingt Rückhalt: Zwölf Mitglieder seiner Partei entschieden sich beim zweiten Anlauf für die Amtsenthebung und trugen damit maßgeblich zu deren Erfolg bei. Stolze 204 von 300 Parlamentsabgeordneten stimmten dafür, Yoon abzusetzen, was dessen sofortige Amtsenthebung zur Folge hatte. Der Premierminister Han Duk-soo übernimmt vorübergehend die Amtsgeschäfte, während das Verfassungsgericht nun über die letztendliche Legitimierung der Entscheidung befindet.
Noch gibt es einige juristische Hürden zu überwinden. Aufgrund personeller Engpässe fehlt dem Verfassungsgericht die volle Besetzung, was die Entscheidungsfindung kompliziert gestalten könnte. Präsident Yoon jedoch zeigt sich unnachgiebig und gelobt, sich gegen die Vorwürfe mit aller Kraft zur Wehr zu setzen. Mit einem Rückhalt von nur elf Prozent in der Bevölkerung steht er jedoch auf wackeligen Beinen; laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 75 Prozent der Südkoreaner seine Absetzung.
Die politische Zukunft Koreas bleibt ungewiss. Sollte das Verfassungsgericht die Amtsenthebung absegnen, wäre Südkorea gezwungen, innerhalb von zwei Monaten Neuwahlen abzuhalten. Begleitend zu den Amtsenthebungsverfahren erwägt man auch strafrechtliche Konsequenzen gegen Yoon wegen Hochverrats. Die Erinnerungen an vergangene Skandale wecken bei vielen Bürgern den Ruf nach einer grundlegenden Reform der politischen Struktur des Landes. Stimmen für ein transparenteres und dezentralisiertes politisches System werden lauter, um die wiederkehrenden Probleme endlich in den Griff zu bekommen.