Der jüngste Börsengang von Delivery Heroes Nahost-Tochter Talabat sorgt für einen willkommenen Geldregen sowie neue strategische Herausforderungen für den deutschen Lieferdienstgiganten. Mit der Festsetzung des IPO-Preises am oberen Ende der Spanne in Dubai erreicht Talabat einen Marktwert von beachtlichen 10,2 Milliarden Dollar. Dies rückt die Bewertung in greifbare Nähe zur 10,9 Milliarden Euro umfassenden Marktkapitalisierung der Muttergesellschaft. Damit steht Delivery Hero vor der Herausforderung, weiterhin Wachstum bei Talabat zu erzielen, an dem das Unternehmen 80% hält, während es zugleich die Märkte von der Wertigkeit seiner restlichen Vermögenswerte überzeugen muss. CEO Niklas Östberg erkennt in einem Interview die derzeitige Unterbewertung an, doch ist der Blick des Unternehmens nicht auf den Aktienkurs fokussiert. Die Investoren haben Lieferdienste nach dem Pandemie-Boom und dem Abflauen des Wachstums abgestraft. Insbesondere die führenden Anbieter in Europa mussten Federn lassen: Während die Aktien von Delivery Hero seit Januar 2021 um 74% gefallen sind, verbuchte Londons Deliveroo einen Rückgang um 62% seit dem Börsendebüt und Just Eat Takeaway.com veräußerte Grubhub mit einem Verlust von 90% des Werts. Östberg nennt die schwachen Kapitalmärkte Europas als Ursache und bedauert die Diskrepanz zu den US-Konkurrenten. Just Eat entschied sich vor Kurzem, sich von der Londoner Börse zurückzuziehen, um geringen Handelsvolumen zu entkommen. Trotz dieser Herausforderungen hebt Delivery Hero die Prognose des freien Cashflows an und rechnet mit einem Talabat-IPO-Ertragsvolumen von bis zu 2 Milliarden Dollar, womit die Schulden von 5,1 Milliarden Euro gesenkt oder strategische Akquisitionen realisiert werden könnten. Clément Genelot, Analyst bei Bryan, Garnier & Co, sieht ab 2025 wieder Wachstum im M&A-Sektor voraus. Obwohl Östberg derzeit keine Akquisitionen anstrebt, bietet der Talabat-Verkauf neue Möglichkeiten für Übernahmen, sollte sich eine Wertchance bieten. Der IPO gilt zudem als der größte in den Vereinigten Arabischen Emiraten und genießt eine 'starke Investorenbasis'. Ein strategisches Dilemma zeichnet sich jedoch ab, das an die niederländische Prosus NV mit deren Beteiligung an Tencent erinnert. Dort übertraf der Wert der Tencent-Anteile zeitweise das Gesamtgeschäft von Prosus, was zu Verkäufen und Rückkäufen eigener Aktien führte.