Die Arbeitskultur in Deutschland steht vor einer kontroversen Diskussion: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die zunehmende Tendenz, krank zur Arbeit zu erscheinen, mit Besorgnis. Anja Piel, Mitglied der DGB-Führung, kritisiert den Vorschlag von Allianz-Chef Oliver Bäte, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag abzuschaffen. Sie betont die Bedeutung der Entgeltfortzahlung als Schutzmechanismus für Beschäftigte, die trotz Krankheit den Weg zur Arbeit nicht scheuen sollten. Bäte heizt die Debatte an, indem er die Einführung eines Karenztags befürwortet, der die Kosten des ersten Krankheitstags den Arbeitnehmern aufbürden würde. Dies sei ein notwendiger Schritt, um Arbeitgeber in Anbetracht eines hohen Krankenstandes zu entlasten. Laut DAK-Gesundheit weisen Arbeitnehmer im Jahr 2023 durchschnittlich 20 Fehltage auf, was den Allianz-Chef in seiner Argumentation stützt. Allerdings entgegnet Piel mit einem langfristigen Blick auf die OECD-Daten, die keine dramatische Zunahme der Fehlzeiten in Deutschland anzeigen. Sie warnt vor den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des 'Präsentismus', der schon vor der Pandemie weit verbreitet war. Unterstützung erhält Piel von der IG Metall, die die Angriffe auf die soziale Sicherheit scharf kritisiert. Der Verweis auf alte Konzepte wie den Karenztag sei unangebracht und kontraproduktiv für die Gesundheit der Belegschaft und die Wirtschaft selbst. In der politischen Sphäre ist die Union gespalten: Während der Unions-Fraktionsvize Sepp Müller offen für Bätes Vorschlag ist, zeigt sich der gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge ablehnend und fordert stattdessen einen Dialog über die Situation. Die kommenden Diskussionen werden zeigen, welche Ideen in der Balance von Arbeitszielen und sozialer Fürsorge den Vorzug erhalten.