Wer hätte das gedacht? Noch vor einer Woche rechneten Marktexperten damit, dass die Aktienmärkte eine Pause einlegen würden, um die jüngste US-Zinssenkung zu verdauen. Doch der Dax setzte seine Aufwärtsbewegung unbeirrt fort. Der Index hat dabei die wichtige 19.000-Punkte-Marke, die er nur nach mehreren Anläufen übersprungen hatte, weit hinter sich gelassen. Innerhalb von nicht einmal zwei Monaten hat der Dax über 2.000 Punkte gewonnen und damit einiges an Erwartungen eingepreist.
Dieser Aufschwung basiert vornehmlich auf Hoffnungen. "Die derzeitige Aktien-Rally wird maßgeblich durch die Zinswende der weltweiten Notenbanken befeuert", erläutert Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. "Allerdings bleibt die Konjunktur, das zweite Standbein der Aktienmärkte, schwach." Besonders in Europa fehlen bislang die positiven Effekte der Zinssenkungen – das zeigt auch der ifo-Geschäftsklimaindex, der sich im September weiter eingetrübt hat.
Parallel dazu bleibt abzuwarten, ob die diversen Maßnahmen Chinas zur Belebung der Konjunktur erfolgreich sein werden. Europäische Exportwerte haben in den letzten Wochen bereits von einer erwarteten stärkeren Nachfrage aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt profitiert. "Es fehlen jedoch konkrete Details zu fiskalischen Anreizen, die den aktuellen Börsenphantasien eine realwirtschaftliche Grundlage geben könnten", warnt Halver.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, teilt diese Einschätzung: "Die bisherigen Maßnahmen Chinas werden wohl kaum ausreichen, um die Wachstumsprobleme der Volksrepublik zu lösen." Die Hoffnungen der Börse ruhen jetzt auf zusätzlichen Maßnahmen, die direkt den schwächelnden Konsum in China ankurbeln könnten.
Drohen den Märkten also bald enttäuschende Realitäten? Nicht unbedingt, sagt Halver. "Die Börsianer haben aktuell gute Gründe zur Zuversicht. Wir befinden uns zwischen Rezessions- und Aufschwungphase. Angesichts internationaler Zinssenkungen sind Aktien in Erwartung wiedererstarkender Konjunkturdaten äußerst gefragt."
Nicht nur der Dax profitiert von diesem günstigen Zinsumfeld. Auch der MDax der mittelgroßen Werte und der Nebenwerte-Index SDax zeigen eine positive Entwicklung. "Typischerweise profitieren vor allem Small und Mid Caps von günstigeren Refinanzierungsbedingungen", so Halver.
Auch der Inflationsausblick gibt Anlass zur Zuversicht. "Neue Daten deuten insbesondere in Europa auf einen nachlassenden Inflationsdruck hin", betont Kater. Dies könnte schnellere Zinssenkungen als bisher erwartet ermöglichen. Die europäischen Verbraucherpreise könnten dieses Szenario bestätigen: "Gesunkene Preise für Benzin, Diesel und Heizöl sowie negative Basiseffekte bei Energiegütern dürften dazu geführt haben, dass die Inflation im September auf 2,0 Prozent zurückgegangen ist", prognostiziert Kater.
Ein weiterer wichtiger Indikator steht am Ende der Woche an: der US-Arbeitsmarktbericht für September. Dieser könnte entscheidende Hinweise darauf geben, ob es auch im November zu einer weiteren kräftigen Zinssenkung in den USA kommen wird.