Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gewährte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spannende Einblicke in brisante Verhandlungen mit Moskau zu Beginn des russischen Angriffskrieges im Frühjahr 2022. Dabei zeigte sich, dass Kremlchef Wladimir Putin den prorussischen Politiker Viktor Medwedtschuk als potenziellen Nachfolger Selenskyjs auf dem politischen Schachbrett aufstellen wollte.
Selenskyj äußerte in einer Gesprächsrunde mit Journalisten, dass im März 2022 angebliche Botschafter Putins an ihn herangetreten seien. Diese hätten ihm nahegelegt, sein Amt niederzulegen, um Medwedtschuk als Präsidenten einzusetzen. Daneben strebte Moskau weitreichende Forderungen an, wie etwa die Kontrolle über den Donbass und weitreichende Verfassungsänderungen in der Ukraine. Es wurden zudem eine reduzierte Armee, der Verzicht auf Waffen mit einer Reichweite von über 20 Kilometern und der Ausschluss eines Nato-Beitritts von der Ukraine verlangt.
Der weitere Verlauf brachte den Volksvertreter Medwedtschuk, der im Februar 2022 aus dem Hausarrest flüchtete, in den Fokus. Seine Verhaftung erfolgte im April und führte letztlich im September zu einem Gefangenenaustausch: Moskau gab ihn gegen 200 ukrainische Kriegsgefangene frei. Selenskyjs Angaben entsprechen weitgehend bekannten Informationen über die Verhandlungen zwischen den beiden Nationen, die zuerst in Belarus und später in der Türkei stattfanden. Moskau bleibt bis heute bei der Darstellung, dass in Istanbul ein Abkommen unter westlichem Einfluss nicht ratifiziert wurde.