Streaming-Dienste haben den Unterhaltungsmarkt revolutioniert, doch nun setzen sie auf ein Geschäftsmodell, das immer mehr Kunden an ihre Grenzen bringt. Wer nicht zahlt, sieht weniger, hört schlechtere Qualität und verliert Funktionen.
Die „Demokratisierung der Unterhaltung“, mit der Netflix, Spotify und Co. einst warben, gehört der Vergangenheit an. Willkommen im Zeitalter der Streaming-Ungleichheit.
Vom Kundenliebling zum Kostentreiber
Jahrelang lieferten sich Streaming-Plattformen einen Wettbewerb um Marktanteile. Kunden wurden mit günstigen Abonnements und unbegrenztem Zugang gelockt.
Doch 2024 markierte den Wendepunkt: Netflix, Disney+ und Spotify meldeten erstmals nachhaltige Gewinne – und das mit einem klaren Konzept: höhere Preise und eingeschränkte Basis-Angebote.
Netflix etwa hob im Januar erneut seine Preise an, verlangte für das Premium-Abo nun 10 Euro mehr als zuvor. Wer nur das Basis-Abo nutzt, muss nicht nur Werbung ertragen, sondern hat auch weniger Inhalte zur Verfügung.
Ähnliches bei Spotify: Hier soll künftig ein „Music Pro“-Abo für 5,99 Euro zusätzlich exklusive Inhalte und bessere Soundqualität bieten. Amazon Music zieht nach – mit Preissteigerungen und exklusiven Künstler-Deals.

Streaming ist das neue Kabelfernsehen – nur teurer
Als Streaming-Dienste aufkamen, versprachen sie eine Alternative zum klassischen Fernsehen: flexibler, günstiger, werbefrei. Heute sind sie selbst zu undurchsichtigen Abo-Systemen mit zahllosen Zusatzkosten geworden.
YouTube TV kostet mittlerweile 82,99 Euro pro Monat – mehr als viele Kabel-TV-Pakete. Disney+ und Max (ehemals HBO Max) entfernen Inhalte aus günstigeren Abos oder verlangen Extra-Gebühren für Live-TV und Sport.
Das Muster ist klar: Erst wurden Kunden auf das Streaming-Modell konditioniert, jetzt zieht man die Preise an. Viele Nutzer bleiben trotzdem – zu verlockend ist der Content. Die meisten, die Netflix kündigen, kommen nach wenigen Monaten zurück. Ein neuer Staffelstart von „Stranger Things“ oder eine exklusive Taylor-Swift-Doku reichen aus, um sie zurückzuholen.
Wie sich die Industrie selbst kopiert
Bemerkenswert ist, dass die einstigen Disruptoren der Medienbranche mittlerweile dieselben Methoden anwenden wie die Unternehmen, die sie verdrängten.
Kabel-TV-Anbieter wie Comcast und Verizon setzten jahrzehntelang auf ein Modell aus Abo-Gebühren plus Werbung. Nun macht Netflix dasselbe: Wer mehr zahlt, bekommt mehr – wer nicht zahlt, erhält nur noch eingeschränkten Zugang.
„Die neuen Medienunternehmen zerstören die alten Cash Cows – und bauen gleichzeitig ihre eigenen, basierend auf genau demselben Modell“, erklärt Nii Addy, Marketingchef des Streaming-Dienstes Philo.
Die Rückkehr der Exklusivität – für zahlungskräftige Kunden
Exklusivität ist die nächste Eskalationsstufe. Spotify plant eine „Superfan“-Kategorie, in der Songs oder Alben bestimmter Künstler nur für Premium-Kunden freigeschaltet werden. Amazon Music experimentiert mit exklusiven Konzert-Streams für Abonnenten.
Netflix könnte bald populäre Serien erst nach 48 Stunden für günstigere Abos freigeben. Wer schneller sehen oder hören will, muss draufzahlen.
Der frühere Netflix-Chef Reed Hastings hatte 2020 noch betont: „Wir wollen ein sicherer Rückzugsort sein, an dem Nutzer Spaß haben und entdecken können – ohne ausbeuterische Werbung.“ Nur zwei Jahre später führte er ein werbegestütztes Abo ein.
Zahlen oder verzichten? Die neuen Regeln des Entertainments
Für viele Nutzer heißt das: entweder auf Streaming-Dienste verzichten oder mehr Geld in die Hand nehmen. Wer das Basis-Abo bei Netflix, Spotify oder Max nutzt, bekommt nicht mehr das volle Erlebnis. Längst ist das billige Streaming-Modell Geschichte.
Ob diese Strategie langfristig aufgeht, bleibt abzuwarten. Klar ist aber: Die Gewinner der Streaming-Kriege stehen längst fest – und die Rechnung zahlen die Kunden.
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