Ein Land, fünf Zonen, eine neue Realität
Die Ansiedlung neuer Fabriken, Batteriespeicher oder Wasserstoff-Elektrolyseure wird in Deutschland künftig teurer – aber nicht überall gleich. Mit ihrem neuen Positionspapier möchte die Bundesnetzagentur den Standortwettbewerb in eine neue Richtung lenken: Unternehmen, die in den industriell geprägten Süden ziehen wollen, müssen für den Netzanschluss tief in die Tasche greifen. Gleichzeitig werden Standorte im Norden, etwa in Schleswig-Holstein, subventioniert.
Das Ziel: Die Kosten für den Netzausbau sollen gesenkt und die Energiewende effizienter gestaltet werden.
Für Klaus Müller, den Präsidenten der Bundesnetzagentur, steht fest: „Ein Preissignal für den bewussten und sparsamen Umgang mit Anschlusskapazitäten ist unvermeidlich.“ Ein politischer Vorstoß mit weitreichenden Konsequenzen – wirtschaftlich wie geografisch.
Was die Industrie erwartet
Zentraler Bestandteil des Vorschlags ist die Einführung eines sogenannten Baukosten-Zuschusses (BKZ). Dieser einmalige Beitrag könnte Investoren künftig davon abhalten, in südlichen Bundesländern zu investieren.
Ein Beispiel: Ein Elektrolyseur mit einer Leistung von 600 Megawatt müsste in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz bis zu 60 Millionen Euro für den Netzanschluss zahlen. In Schleswig-Holstein hingegen läge die Gebühr bei nur 12 Millionen Euro – ein markanter Rabatt.
Während der Süden zusätzliche Kosten schultern müsste, würde der Norden durch seine Windkraftüberschüsse belohnt. Schleswig-Holstein, als Vorreiter bei der Windenergie, könnte so seine Attraktivität als Standort erheblich steigern. Auch Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern und das südliche Niedersachsen profitieren von den geplanten Rabatten.
Kritik aus dem Süden programmiert
Der Plan birgt Konfliktpotenzial. Insbesondere Bayern und Baden-Württemberg, als Schwergewichte der deutschen Industrie, könnten von den neuen Regelungen empfindlich getroffen werden.
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Der Vorstoß kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da gerade süddeutsche Unternehmen eigene Wasserstoff-Elektrolyseure und Batteriespeicher planen, um von erneuerbaren Energien unabhängig zu bleiben. Eine Verteuerung des Netzanschlusses könnte diese Vorhaben jedoch wirtschaftlich untragbar machen.
Zudem wäre eine Verlagerung von Investitionen in den Norden ein harter Schlag für die süddeutschen Bundesländer, die seit jeher als Motoren der deutschen Wirtschaft gelten. Die Gefahr einer Deindustrialisierung ist nicht von der Hand zu weisen.
Wettbewerbsverzerrung oder Kostenbremse?
Kritiker werfen der Bundesnetzagentur vor, mit ihrer geplanten Reform Industriepolitik zu betreiben. Die Einführung regionaler Preismodelle erinnert an die von der EU-Kommission geforderte Einteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen – eine Idee, die die Bundesregierung bislang vehement ablehnt.
Der Baukosten-Zuschuss könnte jedoch ähnliche Auswirkungen haben und den Stromverbrauch vom Süden in den Norden verlagern.
Die Behörde selbst verteidigt ihren Ansatz als notwendige Maßnahme zur Eindämmung der stetig wachsenden Netzkosten. „Es geht nicht darum, Geld zu generieren, sondern darum, den Ausbau des Stromnetzes zu optimieren“, heißt es in der Stellungnahme.
Regionale Ausnahmen: Berlin und Frankfurt unter Druck
Die geplante Reform bringt nicht nur ein Nord-Süd-Gefälle mit sich. Auch Ballungszentren wie Berlin und Frankfurt geraten ins Visier der Bundesnetzagentur.
Rund um die Hauptstadt sorgen bestehende Netzengpässe dafür, dass neue Investitionen durch hohe Anschlussgebühren unattraktiv gemacht werden. In Frankfurt wiederum sind es die zahlreichen Rechenzentren, die bereits enorme Mengen an Strom verbrauchen und die Infrastruktur an ihre Grenzen bringen.
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