Das Märchen von der Ungleichheit – Fakten gegen Wahlkampfparolen
Die Einkommensverteilung in Deutschland bleibt seit zwei Jahrzehnten stabil. Der Gini-Koeffizient liegt bei 0,28 – besser als in den USA und Südeuropa.

Politik

Das Märchen von der Ungleichheit – Fakten gegen Wahlkampfparolen

Die Einkommensverteilung in Deutschland ist stabiler als gedacht. Viele Wahlkampfnarrative basieren auf verzerrten Wahrnehmungen. Doch was sagen die Statistiken wirklich über Arm und Reich?

Die Einkommensschere klafft immer weiter auseinander, und die Armut wächst unaufhaltsam – so zumindest das Bild, das viele Wahlkämpfer gern zeichnen.

Sozialbericht
Der Sozialbericht 2024 - Ein Datenreport für Deutschland (bisher: Datenreport. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland) wird herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Doch ein Blick in den Sozialbericht 2024 entzaubert diese Erzählung: Die Einkommensverteilung in Deutschland ist seit fast zwei Jahrzehnten stabil, und das Armutsrisiko hat sich jüngst sogar verringert.

Ein stabiler Gini-Koeffizient

Der Sozialbericht zeigt, dass die Ungleichheit, gemessen am Gini-Koeffizienten, seit Jahren um den Wert von 0,28 schwankt. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich gut – deutlich besser als die USA oder Südeuropa.

Die verbreitete Annahme, dass die Reichen immer reicher und die Armen ärmer würden, lässt sich durch Daten nicht belegen.

Während nur 3,9 Prozent der Senioren auf Grundsicherung angewiesen sind, zählt jeder vierte junge Erwachsene zu den Armutsgefährdeten.

Tatsächlich ging der Anteil armutsgefährdeter Personen – jene, die weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdienen – seit 2021 von 16 Prozent auf 14,4 Prozent zurück.

Armut – ein junges Problem

Entgegen gängiger Klischees hat Armut in Deutschland meist ein junges Gesicht. Während nur 3,9 Prozent der über 65-Jährigen Grundsicherung im Alter beziehen, lebt jedes achte Kind von Bürgergeld. Besonders Alleinerziehende und kinderreiche Familien sind von Armut bedroht.

Selbst geringfügige Renten sind oft kein Indikator für Altersarmut: Senioren mit kleinen Renten verfügen häufig über weitere Einkommensquellen, etwa durch Ehepartner oder private Altersvorsorge. So liegt das Durchschnittseinkommen der Bezieher von Kleinstrenten bei über 5000 Euro monatlich.

Fast ein Drittel der einkommensschwächsten Haushalte in Deutschland besteht aus Menschen mit Zuwanderungsgeschichte – ein wachsender Anteil, der die Stabilität des Sozialstaats auf die Probe stellt.

Migration und soziale Sicherung

Die Zuwanderung der letzten Jahre hat die sozialen Sicherungssysteme herausgefordert, doch entgegen vieler Befürchtungen blieb die Einkommensverteilung stabil.

Rund 29 Prozent der untersten Einkommensschichten entfallen auf Menschen mit eigener Zuwanderungsgeschichte. Doch der Sozialbericht betont: Die Resilienz des deutschen Sozialstaats hat sich auch in Krisenzeiten bewährt.

Arbeitslosigkeit – das größte Armutsrisiko

Während die Debatte oft auf niedrige Löhne und Renten fokussiert ist, bleibt Arbeitslosigkeit der Hauptfaktor für Armut. Fast jeder zweite Arbeitslose in Deutschland hat weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung, im Vergleich zu nur 6,6 Prozent der Erwerbstätigen.

Auch mangelnde Bildung wirkt sich aus: Der Anteil junger Erwachsener ohne Berufsabschluss stieg zwischen 2018 und 2022 von 14 auf über 19 Prozent.