Das Märchen von der Ungleichheit – Fakten gegen Wahlkampfparolen
Die Einkommensverteilung in Deutschland ist stabiler als gedacht. Viele Wahlkampfnarrative basieren auf verzerrten Wahrnehmungen. Doch was sagen die Statistiken wirklich über Arm und Reich?
Die Einkommensschere klafft immer weiter auseinander, und die Armut wächst unaufhaltsam – so zumindest das Bild, das viele Wahlkämpfer gern zeichnen.
Doch ein Blick in den Sozialbericht 2024 entzaubert diese Erzählung: Die Einkommensverteilung in Deutschland ist seit fast zwei Jahrzehnten stabil, und das Armutsrisiko hat sich jüngst sogar verringert.
Ein stabiler Gini-Koeffizient
Der Sozialbericht zeigt, dass die Ungleichheit, gemessen am Gini-Koeffizienten, seit Jahren um den Wert von 0,28 schwankt. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich gut – deutlich besser als die USA oder Südeuropa.
Die verbreitete Annahme, dass die Reichen immer reicher und die Armen ärmer würden, lässt sich durch Daten nicht belegen.
Tatsächlich ging der Anteil armutsgefährdeter Personen – jene, die weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdienen – seit 2021 von 16 Prozent auf 14,4 Prozent zurück.
Armut – ein junges Problem
Entgegen gängiger Klischees hat Armut in Deutschland meist ein junges Gesicht. Während nur 3,9 Prozent der über 65-Jährigen Grundsicherung im Alter beziehen, lebt jedes achte Kind von Bürgergeld. Besonders Alleinerziehende und kinderreiche Familien sind von Armut bedroht.
Selbst geringfügige Renten sind oft kein Indikator für Altersarmut: Senioren mit kleinen Renten verfügen häufig über weitere Einkommensquellen, etwa durch Ehepartner oder private Altersvorsorge. So liegt das Durchschnittseinkommen der Bezieher von Kleinstrenten bei über 5000 Euro monatlich.
Migration und soziale Sicherung
Die Zuwanderung der letzten Jahre hat die sozialen Sicherungssysteme herausgefordert, doch entgegen vieler Befürchtungen blieb die Einkommensverteilung stabil.
Rund 29 Prozent der untersten Einkommensschichten entfallen auf Menschen mit eigener Zuwanderungsgeschichte. Doch der Sozialbericht betont: Die Resilienz des deutschen Sozialstaats hat sich auch in Krisenzeiten bewährt.
Arbeitslosigkeit – das größte Armutsrisiko
Während die Debatte oft auf niedrige Löhne und Renten fokussiert ist, bleibt Arbeitslosigkeit der Hauptfaktor für Armut. Fast jeder zweite Arbeitslose in Deutschland hat weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung, im Vergleich zu nur 6,6 Prozent der Erwerbstätigen.
Auch mangelnde Bildung wirkt sich aus: Der Anteil junger Erwachsener ohne Berufsabschluss stieg zwischen 2018 und 2022 von 14 auf über 19 Prozent.