Der stille Niedergang einer Branche
Heinz Hintelmann, Inhaber von „Bäcker Heinz“, kennt jede Maschine in seiner Backstube – und die exakten Kosten, die an ihnen hängen. Seine Öfen, Brötchenstraßen und Wärmekammern haben Zehntausende Euro verschlungen.
Gleichzeitig muss er mit steigenden Energiepreisen, höheren Löhnen und der Konkurrenz von Supermarkt-Backstationen und großen Ketten kämpfen. Für ihn ist jeder Tag ein Kampf um Rentabilität – ein Kampf, den viele nicht mehr gewinnen.
Eine aktuelle Studie der Gewerkschaft NGG und der Hans-Böckler-Stiftung zeigt das erschreckende Ausmaß: In zehn Jahren ist die Zahl der Bäckereien in Deutschland um ein Drittel auf 8.100 gesunken.
Rund 20.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Das Marktvolumen bleibt mit 21,8 Milliarden Euro zwar hoch, doch die Gewinne verteilen sich zunehmend auf große Player.
Ketten und Discounter: Der Druck auf das Handwerk wächst
Bäckereien stehen vor einer doppelten Herausforderung: Auf der einen Seite expandieren große Ketten wie Allwörden und Junge, auf der anderen setzen Discounter wie Lidl und Edeka mit Backstationen auf günstige Massenware.
Zwischen diesen beiden Polen kämpfen Betriebe wie „Bäcker Heinz“ ums Überleben. Während er täglich frische Brote und Brötchen mit langer Teigführung bäckt, wirft der Discounter in wenigen Minuten industriell gefertigtes Gebäck aus dem Ofen – zu einem Bruchteil des Preises.
Arbeitskräftemangel und steigende Kosten
Neben dem harten Wettbewerb belastet auch der Personalmangel die Branche. „Es gibt immer weniger junge Leute, die bereit sind, nachts um drei Uhr aufzustehen“, sagt Andreas Schmitt vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks.

Die Gewerkschaft NGG bestätigt diese Entwicklung und warnt zugleich vor prekären Arbeitsbedingungen. Immer mehr Beschäftigte arbeiten nur noch als Aushilfen statt in festen Anstellungen.
Ein weiteres Problem: die steigenden Lohnkosten. Während die Gewerkschaft höhere Gehälter und bessere Bedingungen fordert, warnt die Branche vor der geplanten Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro. Fast 50 Prozent der Betriebsausgaben entfallen auf Personalkosten. Viele kleine Bäckereien könnten diese zusätzlichen Belastungen kaum stemmen.
Gibt es Hoffnung für das Handwerk?
Trotz des allgemeinen Niedergangs gibt es Lichtblicke. Die Zahl der Auszubildenden ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 11,4 Prozent gestiegen. Besonders das Bäckereifachverkaufsgewerbe profitiert, mit einem Anstieg der Azubi-Zahlen um 22,5 Prozent. Die Zuwanderung spielt dabei eine entscheidende Rolle: Ein Viertel der Lehrlinge stammt inzwischen aus dem Ausland.
Zudem setzen einige Betriebe auf neue Geschäftsmodelle. Erfolgreiche Beispiele sind Premium-Bäckereien wie „Zeit für Brot“, die mit einer kleinen, aber hochwertigen Produktpalette hohe Margen erzielen.
Auch einige Finanzinvestoren haben den Markt entdeckt. Unternehmen wie Blue World und Auctus Capital kaufen Bäckereien auf, um sie unter gemeinsamen Marken zu führen. Ihre Strategie: Größe und Effizienzvorteile ausnutzen, um im schrumpfenden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Zukunft zwischen Tradition und Innovation
Für viele Familienbetriebe bleibt die Zukunft ungewiss. Während Heinz Hintelmann sich freut, dass sein Sohn den Betrieb übernimmt, weiß er, dass die Herausforderungen nicht kleiner werden. Sollten steigende Kosten und Personalmangel weiter zunehmen, könnte die Zahl der handwerklichen Bäckereien in Deutschland weiter drastisch sinken. Wer bestehen will, muss sich entweder spezialisieren – oder mit den Großen mithalten können.
Ob das klassische Bäckerhandwerk langfristig überlebt, hängt von vielen Faktoren ab. Klar ist: Die Branche wird sich in den nächsten Jahren weiter radikal verändern. Und nur die anpassungsfähigsten Betriebe werden überleben.