In der Nacht zum Dienstag endete in Berlin-Kreuzberg das, was als eines der rätselhaftesten Kapitel in der Geschichte des deutschen Linksterrorismus gelten könnte. Daniela Klette, eine Schlüsselfigur der dritten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF), wurde nach Jahren der Fahndung verhaftet.
Doch was die Ermittlungen enthüllten, liest sich weniger wie die Akte einer Untergrundkämpferin, sondern vielmehr wie die einer Kulturschaffenden, die im offenen Versteck lebte.
Ein offenes Geheimnis?
Klettes Leben zwischen den Schatten ihrer RAF-Vergangenheit und dem grellen Licht der Öffentlichkeit stellt eine beispiellose Geschichte dar. Wohnhaft im fünften Stock eines Mehrfamilienhauses in der Sebastianstraße, lebte sie scheinbar ein unscheinbares, doch bei näherer Betrachtung spektakuläres Doppelleben.
Die Durchsuchung ihrer Wohnung mag den Ermittlern neue Einblicke in das Netzwerk der RAF und ihrer noch lebenden Akteure bieten, doch es sind die öffentlichen Auftritte Klettes, die Fragen aufwerfen.
Kulturelles Engagement als Tarnung?
Über Jahre hinweg nahm Klette unter dem Pseudonym Claudia Ivone an deutsch-brasilianischen Kulturevents teil, engagierte sich in der Capoeira-Szene, reiste ins Ausland und ließ sich sogar für Veranstaltungsplakate ablichten.
Eine solche Offenheit steht im krassen Gegensatz zu dem Bild einer gesuchten Terroristin, die alles daran setzen müsste, unerkannt zu bleiben.
Die Frage nach der Effektivität der Fahndung
Die Tatsache, dass Klette jahrelang unbehelligt in der Hauptstadt leben und an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen konnte, wirft ein kritisches Licht auf die Effektivität der Fahndungsmaßnahmen.
Wie konnte es sein, dass eine Person, die aufgrund ihrer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten und schweren Raubüberfällen gesucht wurde, so sichtbar agieren konnte?
Das Ende eines Mythos
Die Verhaftung von Klette markiert nicht nur das Ende ihrer persönlichen Freiheit, sondern auch das einer Ära, in der RAF-Terroristen zu mythologischen Figuren des deutschen Linksterrorismus avancierten.
Ihre Teilnahme an Kulturveranstaltungen und die scheinbare Normalität ihres Alltagslebens fügen dieser Mythologie eine bizarre Wendung hinzu.
Ein Netzwerk der Loyalität und des Schweigens
Klettes Integration in die kulturelle Szene Berlins und die Loyalität derjenigen, die ihr dabei halfen, unerkannt zu bleiben, zeigen, dass das Erbe der RAF auch Jahrzehnte nach ihrem offiziellen Ende noch immer Nachhall findet.
Die Gemeinschaften, in denen sie sich bewegte, offenbaren ein tief verwurzeltes Netzwerk aus Solidarität und vielleicht auch aus ideologisch motiviertem Schweigen.
Die ungelösten Rätsel einer Epoche
Die Festnahme von Daniela Klette lässt mehr Fragen offen, als sie beantwortet. Wie viele Daniela Klettes bewegen sich noch unerkannt unter uns? Und was sagt ihr Fall über die Verflechtungen von Untergrundbewegungen mit der bürgerlichen Gesellschaft aus?
Klettes Geschichte ist ein Mosaikstein in einem größeren Bild der deutschen Zeitgeschichte, das noch lange nicht vollständig ist. Sie zeigt, dass die Vergangenheit auch im Hier und Jetzt ihre Schatten wirft – und dass manche Geheimnisse vielleicht nie vollständig ans Licht kommen werden.