Zum 30. Geburtstag gibt sich die Comdirect optimistisch: „Happy Börsday!“ und „Dieser Geburtstag geht auf dein Konto“ prangen auf Marketingmaterialien, die die Marke jung, frisch und angriffslustig präsentieren sollen.
Doch der Jubel wirkt aufgesetzt, denn die Realität sieht anders aus. Seit Jahren kämpft die Digitalbank, einst Vorreiter im Online-Banking, gegen Stagnation. Jetzt soll ein neuer Schub kommen – doch die Konkurrenz schläft nicht, und auch intern gibt es Baustellen.
Unicredit im Nacken: Das Zittern der Muttergesellschaft
Während die Comdirect um Aufmerksamkeit kämpft, steht ihre Mutter, die Commerzbank, unter Druck. Die italienische Großbank Unicredit hat Interesse an einer Übernahme signalisiert.
Unicredit-Chef Andrea Orcel hält der Commerzbank den Spiegel vor: Fortschritte ja, aber „noch viel Luft nach oben“. Eines der Probleme, die Orcel sehen könnte: die Entwicklung der Comdirect.
„Die Comdirect hat viel Potenzial“, betont Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp.
Doch selbst sie weiß, dass die Marke nach Jahren der Integration mehr liefern muss. Rund 100.000 neue Kunden im ersten Halbjahr und ein verwaltetes Vermögen von über 100 Milliarden Euro sind solide Zahlen – doch von einem Comeback kann keine Rede sein.
Alte Systeme, neue Konkurrenz
Der wahre Gegner der Comdirect sitzt nicht in Frankfurt, sondern in München und Berlin. Start-ups wie Trade Republic und Scalable Capital haben den Markt verändert. Mit minimalistischen Apps und niedrigen Gebühren ziehen sie Kunden an, die Geschwindigkeit und Einfachheit suchen.
Trade Republic bietet 3,25 % Zinsen und einen Euro pro Trade. Die Comdirect hält dagegen: 2,75 % Zinsen für Neukunden und 3,90 Euro pro Trade. Kein Vergleich.
Der wahre Schmerzpunkt liegt in der Technik. Während Trade Republic auf eine moderne IT setzt, arbeitet die Comdirect immer noch mit den Jahrzehnte alten Systemen ihrer Muttergesellschaft. „Unsere Konditionen sind wettbewerbsfähig“, sagt Sabine Schoon-Renné, Bereichsvorständin der Comdirect. Doch reicht das in einem Markt, in dem Innovation der Maßstab ist?
Zwei Marken, ein Ziel: Vertrauen schaffen
Seit 2022 verfolgt die Commerzbank eine klare Zwei-Marken-Strategie: Die Comdirect soll als digitale Hauptbank auftreten, während die Commerzbank mit Beratungsangeboten und Filialen Kunden anspricht. „Wir sprechen unterschiedliche Bedürfnisse an“, erklärt Schoon-Renné.
Doch die Marke trägt weiterhin den Rucksack der Vergangenheit. Die Integration in den Commerzbank-Konzern war schwieriger als gedacht. Einsparungen blieben hinter den Erwartungen zurück, und viele Kunden fragen sich: Warum sollte ich bei der Comdirect bleiben, wenn andere schneller und günstiger sind?
Angriff auf die Junge
Die Comdirect weiß, dass sie mehr tun muss, um nicht weiter Marktanteile zu verlieren. Mit Social-Media-Kampagnen und Events wie der „Icon League“, einem Fußballformat von Weltmeister Toni Kroos, sollen jüngere Kunden gewonnen werden. In der App sollen „neue Funktionalitäten“ eingeführt werden, das Angebot bei Kryptowährungen wird ausgebaut.
Gleichzeitig setzt die Bank auf klassische Anreize: Wer ein Girokonto eröffnet, erhält Prämien. Die Auswahl? Von der Auflaufform bis zum Haartrockner. Ob das ausreicht, um gegen Trade Republics Einfachheit zu bestehen, bleibt fraglich.
Eine Marke sucht ihr Momentum
Die Comdirect steht an einem Scheideweg. Einerseits der Anspruch, eine moderne Digitalbank zu sein, andererseits die Last einer traditionellen Struktur. Während Start-ups agiler und günstiger sind, bietet die Comdirect Verlässlichkeit und eine breite Produktpalette. Doch ist das genug, um im Wettbewerb zu bestehen?
„Wir sind wieder da“, sagt Schoon-Renné. Ob Kunden und Markt das genauso sehen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Klar ist: Die Comdirect hat keine Zeit zu verlieren.