Es hätte ein Meilenstein werden sollen: Coca-Cola bringt seinen ikonischen Weihnachtsspot mit den berühmten roten Trucks zurück – allerdings in einer völlig neuen Version, erstellt von künstlicher Intelligenz. Doch statt Applaus hagelt es Spott.
Die Animationen wirken fehlerhaft, die Trucks haben teils keine Räder, und die Menschen im Spot sehen alle gleich aus. In den sozialen Medien sprechen Zuschauer von einem „billigen KI-Experiment“.
Die Reaktionen zeigen: Während Coca-Cola seinen technologischen Mut feiert, wird die KI-Produktion in der Kreativbranche kritisch beäugt. „Das Rot der Trucks steht für das Blut arbeitsloser Kreativer,“ schrieb Regisseur Alex Hirsch auf Twitter. Ein bitterer Kommentar, der den Nerv vieler Filmschaffender trifft.
Technologie trifft Tradition
Coca-Cola verteidigt den Einsatz von KI: Der Spot sei schneller und kostengünstiger produziert worden als mit klassischen Methoden. „Created by Real Magic AI“ – dieser Satz prangt stolz am Ende der Werbung.
Für die Marke ein Symbol ihrer Innovationsfreude. Doch die Qualität des Spots erzählt eine andere Geschichte: Fehlerhafte Details und mangelnde Emotionen lassen viele an der Sinnhaftigkeit dieser Entscheidung zweifeln.
„Wir hätten so etwas niemals durchgehen lassen,“ sagt ein ehemaliger Animationskünstler eines führenden Studios. Die Produktion sei nicht mit den hohen Standards vergleichbar, die kreative Agenturen normalerweise setzen.
Kreative unter Druck
Die Kritik an Coca-Cola steht sinnbildlich für eine größere Debatte in der Kreativbranche. KI-Tools finden zunehmend Einsatz in Drehbüchern, Animationen und visuellen Effekten.
Sie sparen Zeit und Geld – doch auf Kosten der Qualität? Für viele Kreative geht es um mehr: „Es geht um die Existenz einer ganzen Branche,“ sagt Duncan Crabtree-Ireland, Chefverhandler der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA.
In den USA hatten Schauspieler und Drehbuchautoren in diesem Jahr monatelang gestreikt, um sich gegen den Einsatz von KI abzusichern. Besonders brisant ist die Sorge vor digitaler Nachbildung: Schauspieler könnten durch KI ohne ihre Zustimmung in Filmen auftreten. Ein prominentes Beispiel ist der verstorbene Paul Walker, der für „Fast and Furious“ digital reproduziert wurde.
Neue Chancen für kleine Produzenten
Doch die Technologie hat auch eine andere Seite. Experten wie Björn Stockleben von der Filmuniversität Babelsberg sehen in KI ein Werkzeug, das vor allem kleineren Studios und Filmemachern zugutekommt.
„Wir können damit kreative Prozesse beschleunigen und Budgets optimieren,“ erklärt er. So habe sein Team mit einer KI namens „Skybox“ 3D-Stadtmodelle für einen Science-Fiction-Film erstellt und diese visuell angereichert – ein Prozess, der früher Wochen gedauert hätte.
Besonders bei Dokumentarfilmen, wo Perfektion nicht immer oberste Priorität hat, sieht Stockleben großes Potenzial. „KI ermöglicht Erzählweisen, die vorher undenkbar waren,“ sagt er. Doch auch er warnt: Der technologische Fortschritt dürfe nicht zu Lasten der Kreativkultur gehen.
Das Publikum bleibt skeptisch
Trotz aller Chancen ist die Skepsis groß – besonders bei den Zuschauern. Sie kritisieren nicht nur die technischen Mängel der neuen Coca-Cola-Werbung, sondern auch den Verlust an Authentizität. „Der Spot mag effizient sein, aber er berührt nicht,“ heißt es in einem Kommentar auf YouTube.
Werbeexperten stimmen zu: Marken wie Coca-Cola, deren Identität stark auf Nostalgie und Emotionen basiert, könnten durch KI-Produktion langfristig Schaden nehmen. „Die besten Werbekampagnen sind diejenigen, die eine Verbindung zum Publikum herstellen,“ erklärt eine Expertin für Markenstrategie. „Das funktioniert nur, wenn die menschliche Note erhalten bleibt.“
Ein Wendepunkt für die Branche
Die Coca-Cola-Kampagne markiert eine Zäsur. Sie zeigt, wie stark KI die Film- und Werbebranche verändert, und wirft gleichzeitig die Frage auf, wie weit Automatisierung in kreativen Prozessen gehen darf. Während Konzerne auf Effizienz setzen, kämpfen Kreative für den Erhalt ihrer Jobs und Standards.
Die Zukunft liegt vermutlich irgendwo dazwischen: als Ergänzung menschlicher Kreativität, nicht als Ersatz. Doch wie diese Balance aussehen kann, bleibt offen. Coca-Cola mag ein Pionier sein – doch der Erfolg ihrer Entscheidung wird sich erst zeigen, wenn Kunden und Kreative überzeugt sind.
Das könnte Sie auch interessieren: