"RIP Climate Tech" titelte kürzlich das britische Start-up-Magazin Sifted und sprach damit aus, was sich viele Investoren insgeheim fragen: Hat sich die Euphorie um Klimatechnologie erledigt?
Zahlen scheinen diesen Eindruck zu bestätigen: Laut PwC fielen die weltweiten Investitionen in Climate-Tech-Unternehmen innerhalb eines Jahres von 79 auf 56 Milliarden US-Dollar – ein Rückgang von 29 Prozent. In Deutschland schrumpfte das Investitionsvolumen von drei auf zwei Milliarden Dollar.
Investoren setzen auf wirtschaftliche Tragfähigkeit
Die Ursachen für diese Zurückhaltung sind vielfältig. Hohe Zinsen verteuern Fremdkapital, geopolitische Unsicherheiten lenken Investitionen in stabilere Branchen, und Kunden zeigen sich zunehmend preissensibler.
"Die Bereitschaft, für grüne Alternativen einen Premiumpreis zu zahlen, ist drastisch gesunken", erklärt Jan Christoph Bohnert, CEO der Beratungsfirma Life Size. "Start-ups, die sich nur auf Nachhaltigkeitsargumente stützen, geraten ins Hintertreffen."
Felix Plog, CEO des Wärmepumpen-Start-ups Thermondo, bestätigt diese Entwicklung: "Heute überzeugen Investoren nur noch Unternehmen mit skalierbaren, wirtschaftlich tragfähigen Modellen. Wer kein profitables Geschäftsmodell vorweisen kann, hat es schwer."
Das erklärt auch das Schicksal des Batterie-Start-ups Northvolt, das trotz 15 Milliarden Dollar Finanzierung Insolvenz anmelden musste.
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Optimismus bei Climate-Tech-Gründern bleibt
Trotz des Rückgangs der Investitionen bleibt die Grundstimmung in der Branche erstaunlich positiv. Laut einer Umfrage von Life Size schätzen 80 Prozent der befragten Climate-Tech-Gründer die Investitionsbereitschaft als "eher positiv" ein, 50 Prozent sind "sehr optimistisch" bezüglich der Zukunft ihres Unternehmens.
Einer dieser Optimisten ist Eduard Schlutius, CEO von Reev, einer Plattform für Ladeinfrastruktursteuerung. "Der Bedarf an nachhaltigen Energielösungen wächst ungebremst. Unternehmen und Verbraucher suchen Alternativen, um steigende Energiepreise und Netzauslastung zu managen."
Marktentwicklung: Climate Tech ist nicht tot, sondern reift
Die Climate-Tech-Branche befindet sich an einem Wendepunkt. "Wir haben eine Reifung der Branche erreicht", erklärt Daria Saharova, Mitgründerin des World Fund. "Investoren suchen nicht mehr nach reinen Visionen, sondern nach handfesten, rentablen Technologien."
Ein Beispiel dafür ist der Wandel in der Kommunikation: Statt unter dem Oberbegriff "Climate Tech" zu agieren, setzen Unternehmen vermehrt auf spezifischere Bezeichnungen wie "Watertech", "Agritech" oder "Energytech", um ihre Anwendungsfälle und wirtschaftlichen Vorteile klarer zu vermitteln.
Die wachsende Wettbewerbsdichte im Climate-Tech-Sektor führt dazu, dass nur die effizientesten und wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen überleben werden. "Start-ups, die es schaffen, CO₂-Einsparungen mit Kostenvorteilen zu kombinieren, werden weiterhin erfolgreich sein", betont Thermondo-CEO Plog. "Profitabilität schlägt Umsatz."
Climate Tech bleibt, aber unter neuen Vorzeichen
Die Debatte über das vermeintliche Ende von Climate Tech greift zu kurz. Vielmehr durchläuft die Branche eine notwendige Transformation hin zu mehr wirtschaftlicher Tragfähigkeit.
"Wir sehen einen fundamentalen Paradigmenwechsel", sagt Jan Lozek, Gründer des Future Energy Ventures Funds. "Früher war Klimatechnologie teuer und unbewiesen, heute ist sie marktreif und wettbewerbsfähig."
Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Unternehmen in der Lage sind, sich dieser neuen Realität anzupassen. Klar ist: Climate Tech ist nicht tot – es hat nur seine Wachstumsphase hinter sich gelassen und tritt nun in eine Phase der wirtschaftlichen Konsolidierung ein.
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