Die Rollenverteilung an den globalen Technologiebörsen war lange klar: Die USA lieferten, der Rest schaute zu. Doch 2025 ist etwas anders. Während die einst gefeierten „Magnificent Seven“ um Tesla, Apple, Microsoft und NVIDIA erste Ermüdungserscheinungen zeigen, formiert sich aus Fernost leise, aber kraftvoll ein Gegengewicht – die sogenannten „Terrific 10“.
Chinas Antwort auf die Nasdaq-Elite ist mehr als ein PR-Gag. Es ist ein Signal. Und womöglich ein Wendepunkt für Tech-Investoren weltweit.
Wer sind die Terrific 10?
Die Liste liest sich wie ein Who-is-Who der chinesischen Digitalwirtschaft: Alibaba, Tencent, Meituan, Xiaomi, JD.com, NetEase, Baidu, BYD, Geely und der Halbleiterhersteller SMIC.
Sie stehen für E-Commerce, Gaming, Kommunikation, Social Media, KI, Halbleiter, Elektromobilität – kurz: für Chinas technologische Vision.
Viele dieser Unternehmen wurden noch vor wenigen Jahren von westlichen Investoren gemieden – wegen regulatorischer Eingriffe, Bilanzunsicherheiten und geopolitischer Spannungen. Heute jedoch holen sie rasant auf. Und zwar nicht trotz, sondern wegen der chinesischen Regierung.
Chinas KI-Offensive als Katalysator
Ein zentrales Element dieser Aufholjagd: die Künstliche Intelligenz. Mit dem Sprachmodell DeepSeek versucht China, seinen eigenen „OpenAI-Moment“ zu inszenieren.

Der Vergleich mit ChatGPT ist nicht zufällig. „Wenn das funktioniert, öffnet das die Tür zu massiven Investitionen in chinesische KI-Unternehmen“, erklärt YT Boon, Asienchef beim Vermögensverwalter Neuberger Berman.
Das Kalkül ist klar: Wer künftig bei KI vorne mitspielen will, braucht Rechenzentren, Halbleiter, Plattformen – und Kontrolle über seine Daten. Genau in diesen Bereichen spielen Baidu, Tencent, Alibaba und SMIC ihre Stärken aus. Für Anleger ist das ein doppelter Hebel: Technologie mit Rückenwind und politischer Unterstützung.
Unterbewertet, unterschätzt – und bereit zum Durchstarten
Trotz des jüngsten Kursaufschwungs sind chinesische Tech-Aktien im Vergleich zu ihren US-Pendants spottbillig:
- Alibaba kommt aktuell auf ein KGV von rund 15,
- Baidu liegt bei unter 10,
- BYD bei etwa 20.
Zum Vergleich:
- Amazon wird mit über 30-fachem Gewinn bewertet,
- Meta mit 24,
- Tesla kratzt wieder an der 100er-Marke.
Dabei sind viele Geschäftsmodelle der chinesischen Unternehmen ähnlich skalierbar – oder sogar effizienter aufgestellt, da sie auf einen riesigen Binnenmarkt zurückgreifen können, in dem westliche Wettbewerber kaum Fuß fassen dürfen.
Regulierung: Vom Risiko zum Wachstumsmotor?
Noch vor zwei Jahren war das Wort „Tech-Regulierung“ in China ein Schreckgespenst. Peking hatte zahlreiche Branchen durch Eingriffe und Strafzahlungen gebremst – insbesondere Plattformen, Bildungs- und Gamingfirmen. Das scheint sich nun zu ändern.
„Die Führung hat erkannt, dass sie die Technologiebranche braucht, um wirtschaftlich voranzukommen“, so Boon.
Das neue Narrativ: Nicht mehr Kontrolle um jeden Preis, sondern Wachstum durch gezielte Förderung. Steuererleichterungen, staatliche Fonds und Digitalstrategien signalisieren: Peking meint es ernst mit der Rückkehr zum Tech-Wachstum.
Xiaomi als Beispiel: Wenn Apple auf BYD trifft
Eines der auffälligsten Beispiele im Portfolio der Terrific 10 ist Xiaomi. Lange als Smartphone-Hersteller unterschätzt, investiert das Unternehmen inzwischen massiv in E-Autos und autonome Systeme. Analysten erwarten ein Gewinnwachstum von 25 Prozent jährlich – mehr als das Dreifache von Apple.
Während Tesla in den USA mit Preisdruck kämpft, kann BYD seine Marktanteile in China und Südostasien kontinuierlich ausbauen. Alibaba und JD.com profitieren parallel vom Online-Boom – auch jenseits des reinen E-Commerce, etwa in Cloud-Diensten, FinTech und Logistik.
ETFs als Frühindikator
Ein Blick auf die Märkte bestätigt den Trend:
- Der ETF KraneShares CSI China Internet, der viele der Terrific 10 abbildet, hat 2025 bereits zweistellig zugelegt.
- Der Roundhill Magnificent Seven ETF, der die US-Tech-Elite bündelt, liegt hingegen im Minus.
Das zeigt: Die Kapitalmärkte beginnen umzudenken. Nicht aus Sentiment, sondern weil sie auf Zahlen, Margen und Wachstumsaussichten reagieren – und auf politische Stabilität in der Branche.
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