China hat am Mittwoch eine interkontinentale ballistische Rakete (ICBM) in den Pazifischen Ozean abgefeuert, was ihren ersten größeren Raketentest seit den doppelten Hyperschallwaffentests im Sommer 2021 darstellt.
Der Test fand während intensiver Luft- und Seemanöver der Volksbefreiungsarmee (PLA) statt, und er erfolgte kurz vor einem geplanten Telefonat zwischen dem chinesischen Staatschef Xi Jinping und dem US-Präsidenten Joe Biden. Das Verteidigungsministerium Chinas erklärte, dass es sich um eine "routinemäßige Anordnung im Rahmen unseres jährlichen Trainingsplans" handelte, die im Einklang mit dem internationalen Recht steht und sich gegen kein spezifisches Land oder Ziel richtet.
Beobachter interpretierten den Test jedoch als eine politische Botschaft und Machtdemonstration, die Besorgnis in den USA und bei Chinas Nachbarn über Pekings Modernisierung seiner Nuklearwaffen auslösen könnte. "Sie signalisieren, dass China die Fähigkeit besitzt, US-Territorium mit Atomwaffen zu treffen," sagte Lin Ying-yu, ein taiwanesischer PLA-Experte. "Diese Machtdemonstration könnte darauf abzielen, China mehr Verhandlungsmacht im bevorstehenden Gespräch zwischen Xi und Biden zu verschaffen."
Im Juli 2021 hatte die PLA eine Rakete gestartet, die ein "fraktionales Orbitalbombardementsystem" nutzte, um ein nuklearfähiges "hyperschalles Gleitfahrzeug" erstmals um die Erde zu schicken. Einen Monat später folgte ein zweiter Hyperschalltest. Welche Rakete am Mittwoch getestet wurde, gab Peking nicht bekannt.
"Die meisten ballistischen Raketentrainingseinsätze der PLA verwenden Testgebiete in Xinjiang oder im Bohai-Meer", so Hsu Yen-chi, Forscher am Council on Strategic and Wargaming Studies in Taipeh. "Es ist sehr selten, dass sie ein anderes Gebiet als ICBM-Feuerungsreichweite nutzen; das letzte Mal war 1980."
Lin vermutete, dass der Test die zunehmende Reife von Chinas Beidou-Satellitennavigationssystem anzeigen könnte, das die PLA für die Raketensteuerung verwendet. Außerdem könnte der Test ein Bestreben der Raketenstreitkräfte der PLA, die für konventionelle und nukleare Raketeneinsätze zuständig sind, widerspiegeln, ihre Kampfstärke unter Beweis zu stellen, die von Xi's Säuberungen der Führung und einer laufenden Antikorruptionskampagne unbeeinträchtigt blieb.
China, das früher nur eine kleine Anzahl von Atomsprengköpfen zum Gegenschlag besaß, erweitert nun rapide sein Arsenal an Sprengköpfen und Raketenabschussvorrichtungen. Diese Aufrüstung könnte China bis Anfang der 2030er Jahre zu einem ebenbürtigen Akteur neben den USA und Russland machen, den beiden führenden Nuklearmächten der Welt, wie US-Verteidigungsexperten prognostizieren.
Die steigende nukleare Stärke Pekings und seine undurchsichtigen Absichten haben in Washington eine Debatte darüber ausgelöst, ob und wie die USA ihre eigenen nuklearen Fähigkeiten und ihre Haltung erweitern und anpassen müssen. China und die USA begannen im letzten Jahr Nukleargespräche nach einem Treffen zwischen Xi und Biden, die aber im Juli von China ausgesetzt wurden.
Vergangenen Monat forderte Peking die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats auf, seine eigene "Nichterstschlag"-Politik zu übernehmen, was Washingtons Nuklearteilungsvereinbarungen mit NATO-Verbündeten und Atomschutzschirmregelungen in Asien kritisierte.
Das Verteidigungsministerium Taiwans berichtete von "jüngst intensiven Raketenabschussübungen und anderen Ausbildungsaktivitäten" des chinesischen Militärs. Erstmals waren gleichzeitig alle drei chinesischen Flugzeugträger am Mittwoch auf See.
Die Liaoning, der erste Träger der PLA, absolvierte eine Ausbildungsmission im westlichen Pazifik, während sich der zweite Träger, die Shandong, im Südchinesischen Meer befand und Chinas neuester Träger, die Fujian, Seeerprobungen unterzog. Laut dem japanischen Militär durchquerte eine weitere Flotte der PLA-Marine am Montag das Ochotskische Meer, während chinesische und russische Marineschiffe in der Nähe Japans gemeinsam trainierten.
Durch den ICBM-Test zur gleichen Zeit wie andere Manöver "zeigt die PLA ihre umfassenden Fähigkeiten", sagte James Chen, Professor an der Tamkang University in Taipeh.