16. Dezember, 2024

Wirtschaft

Chemie in der Krise: Tausende Stellen gefährdet und kein Aufschwung in Sicht

Stellenabbau und Produktionskürzungen prägen die deutsche Chemiebranche. Unternehmen wie Evonik und BASF verschärfen ihre Sparprogramme, während die gesamte Industrie unter Wettbewerbsnachteilen und regulatorischen Hürden leidet.

Chemie in der Krise: Tausende Stellen gefährdet und kein Aufschwung in Sicht
Die chemisch-pharmazeutische Industrie verbuchte 2024 ein Umsatzminus von 2 Prozent und eine um 16 Prozent niedrigere Produktion im Vergleich zu 2018 – ein Abwärtstrend ohne absehbares Ende.

Evonik und BASF unter Druck

Die Ankündigung von Evonik, bis zu 7000 Stellen durch Verkäufe und Umstrukturierungen abzubauen, zeigt die prekäre Lage der Chemieindustrie. Ebenso plant BASF, im Rahmen eines Sparprogramms am Standort Ludwigshafen 2,1 Milliarden Euro bis 2026 einzusparen, was bereits zur Stilllegung erster Anlagen führte.

Beide Konzerne stehen exemplarisch für die gesamte Branche, die mit Überkapazitäten und schwacher Nachfrage kämpft.

„Unsere Branche sieht sich einer anhaltenden Nachfrageflaute ausgesetzt. Anlagen laufen auf Sparflamme, weitere Stilllegungen werden folgen“, prognostizierte der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die Produktionsauslastung lag 2024 im Schnitt bei nur 75 Prozent, ein alarmierender Wert für eine Schlüsselindustrie.

Rückläufige Produktion und Umsatz

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während die chemisch-pharmazeutische Industrie im Jahr 2024 ein Produktionsplus von zwei Prozent gegenüber 2023 verzeichnete, liegt die Produktion im Vergleich zu 2018 immer noch um 16 Prozent niedriger. Besonders der Absatz auf dem deutschen Markt sank um vier Prozent, während der Export nur leicht um ein Prozent zurückging.


Lesen Sie auch:

Evonik plant historischen Umbau: 7000 Stellen vor dem Aus
Der Chemiekonzern Evonik plant den umfassendsten Umbau seiner Geschichte. Bis zu 7000 Stellen sollen wegfallen, darunter auch Hunderte von Führungspositionen. Zwei neue Geschäftssegmente sollen die Zukunft sichern.

Das Umsatzminus wird durch rückläufige Preise verstärkt – Chemikalien waren 2024 durchschnittlich 2,5 Prozent günstiger als im Vorjahr. Die Branche erwirtschaftete insgesamt einen Umsatz von 221 Milliarden Euro, was einem Rückgang von zwei Prozent gegenüber 2023 entspricht.

Regulatorische Lasten und Standortprobleme

VCI-Präsident Markus Steilemann kritisierte die wachsende Bürokratie und hohen Produktionskosten, die Deutschland im internationalen Vergleich zurückwerfen. „Europa reguliert sich in den Stillstand. Insbesondere Brüssel ist das Epizentrum dieser Entwicklung“, erklärte er. Die hohen Energiepreise und kleinteilige Regulierungen belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zusätzlich.

Die BASF-Anlage in Ludwigshafen – einst Aushängeschild der deutschen Chemieindustrie – steht heute für Sparmaßnahmen und Produktionsstilllegungen in einer kriselnden Schlüsselbranche.

Unternehmen zögern mittlerweile, in Deutschland zu investieren. Viele Innovationsbudgets werden gekürzt, während wichtige Projekte auf Eis gelegt werden. Diese Zurückhaltung bedroht langfristig die technologische Führungsposition der Branche.

Hoffnungsschimmer oder tiefer Absturz?

Obwohl der VCI für das Jahr 2025 eine Stagnation der Branchenproduktion prognostiziert, bleibt die Unsicherheit groß. Eine Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen ergab, dass ein Großteil erst 2026 oder später mit einer Erholung rechnet. Dennoch gibt es vereinzelte optimistische Stimmen, die ab dem Sommer 2025 wieder mit einer steigenden Nachfrage rechnen.

Die anstehenden Neuwahlen in Deutschland werden von der Branche als Chance auf einen „wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag“ gesehen. Der VCI fordert unter anderem wettbewerbsfähige Energiepreise, weniger Bürokratie und eine Unternehmenssteuerreform, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.