Vor einem Jahrzehnt erschütterte ein verheerender Terroranschlag auf die satirische Zeitschrift Charlie Hebdo die Welt. Am 7. Januar 2015 drangen die Brüder Chérif und Saïd Kouachi in die Redaktionsräume ein und ermordeten kaltblütig zwölf Menschen, darunter acht Redaktionsmitglieder. Der Angriff markierte den Beginn eines Jahres beispielloser islamistischer Terrorakte in Paris, bei denen fast 150 Menschen den Tod fanden.
Doch Charlie Hebdo bleibt unerschrocken. Auch heute, zehn Jahre nach dem Attentat, produziert das Blatt wöchentlich mit unverhohlener Provokation seine Ausgaben. Die Redaktion arbeitet nun an einem geheimen Ort, während der Karikaturist und heutige Chefredakteur Laurent Sourisseau, bekannt als Riss, unter Polizeischutz lebt. Seit dem Angriff hat sich für die Zeitschrift vieles verändert, doch sie veröffentlicht unverändert Woche für Woche ihre satirischen Inhalte. Ihr Absatz liegt derzeit bei etwa 50.000 Exemplaren – über 25 % mehr als zuvor.
Zum Jahrestag veröffentlicht Charlie Hebdo ein Buch mit dem Titel "Charlie Liberty: das Tagebuch ihres Lebens", welches das Andenken an die verstorbenen Kollegen wachhält. Mit scharfen politischen Karikaturen setzt die Zeitung die lange Tradition französischer Satire fort, die bis zur Revolution von 1789 zurückreicht. Riss betont die Macht simpler Zeichnungen als effektives Mittel, um komplexe Themen verständlich zu machen.
Obwohl Charlie Hebdo von vielen als ketzerisch angesehen wird, schützt das französische Gesetz Blasphemie, verbietet jedoch Hassrede und Gewaltaufrufe. Innerhalb Frankreichs bleibt die Zeitung jedoch umstritten, wie die jüngste Kritik der linken Zeitung Mediapart zeigt, die den Vorwurf der Islamophobie erhob. Der Geist des "Je suis Charlie", der nach der Ermordung des Lehrers Samuel Paty 2020 aufgefrischt wurde, schwächt sich weiter ab. Mittlerweile identifizieren sich nur noch 58 % der Franzosen mit diesem Slogan.
Die Diskussion um die Grenzen der Satire spiegelt eine breitere gesellschaftliche Entwicklung wider, die auch in den USA zu beobachten ist. Ein prominentes Beispiel ist der Rückzug politischer Karikaturen durch die New York Times und der jüngste Rücktritt der Karikaturistin Ann Telnaes von der Washington Post. Immer mehr scheinen gesellschaftlicher Druck und Selbstzensur die Satire zu beeinflussen. Riss sieht Charlie Hebdo als notwendige, wenngleich entfremdete Stimme in einer zunehmend angespannteren Welt und betont die unveränderte Mission der Zeitung, auch wenn die Umgebung immer vorsichtiger wird.