28. September, 2024

Wirtschaft

ChargePoint: Eine riskante Wette auf den EV-Boom?

ChargePoint: Eine riskante Wette auf den EV-Boom?

Die Wall Street schätzt eine packende Geschichte. Doch manchmal übertrifft die Erzählung die Realität des Unternehmens. Ein Paradebeispiel dafür ist ChargePoint, das durch eine umgekehrte Fusion mit einer SPAC im März 2021 an die Börse ging und anfänglich kräftige Kursgewinne verzeichnete. Seitdem ist jedoch der Aktienkurs um mehr als 95 % gefallen. Ist es heute ratsam, ChargePoint-Aktien zu kaufen, zu verkaufen oder zu halten?

ChargePoint bietet Produkte und Services für das Laden von Elektrofahrzeugen (EVs) an. Es besteht kein Zweifel daran, dass eine solche Infrastruktur erforderlich sein wird, um die weitverbreitete Einführung von EVs zu unterstützen, während die Welt sich von schmutzigeren und CO₂-emittierenden Energiequellen wie Benzin abwendet. Dieses große Zukunftsbild stützt die langfristige Story des Unternehmens.

ChargePoint hat es geschafft, ein bedeutendes Geschäft aufzubauen. Das Unternehmen ist in Kanada, den USA und Mexiko aktiv und operiert zudem in 16 europäischen Ländern. ChargePoint behauptet, über 300.000 aktive Ladepunkte zu besitzen und bietet durch Roaming-Vereinbarungen mit Partnern Zugang zu weiteren 700.000 Ladestationen. Dies ist ein beachtliches Netzwerk angesichts des aktuellen Standes der EV-Adoption.

Die wachsende Akzeptanz von EVs ist ebenfalls ein entscheidender Teil der langfristigen Story. Laut der Internationalen Energieagentur wurden 2023 weltweit fast 14 Millionen EVs verkauft, ein Anstieg von 35 % gegenüber 2022. Insgesamt gibt es nun etwa 40 Millionen EVs auf den Straßen. Jede Woche werden über 250.000 EVs registriert, mehr als die Gesamtzahl im gesamten Jahr 2013. ChargePoint nutzt also definitiv einen wachsenden Markt. Dies könnte ein Grund sein, die Aktie trotz des starken Preisverfalls oder gerade deswegen zu kaufen.

Obwohl ChargePoint eindeutig einem aufstrebenden Markt dient, sind die Investitionen, die für den Aufbau der Ladeinfrastruktur erforderlich sind, massiv. Es gibt keinen schnellen, einfachen oder günstigen Weg, dies zu erreichen. Einfach ausgedrückt, es wird ein langwieriger und stetiger Prozess sein. Das ist verständlich, aber es gibt ein Problem: ChargePoint macht hohe Verluste.

Das wird sich in absehbarer Zeit kaum ändern. ChargePoints Bruttogewinn im zweiten Quartal betrug 25,5 Millionen US-Dollar, aber es investierte 36,5 Millionen US-Dollar in Forschung und Entwicklung. Diese Ausgaben kann das Unternehmen nicht kürzen. Hinzu kommen die allgemeinen Verwaltungs- und Vertriebskosten, die sich auf fast 52 Millionen US-Dollar summieren. Das Unternehmen hat 240 Millionen US-Dollar an Barmitteln, aber diese werden nicht ewig reichen.

Wenn das die Aktie wie eine riskante Investition erscheinen lässt, liegt man wahrscheinlich richtig. ChargePoint ist keine geeignete Wahl für konservative Anleger oder solche mit schwachen Nerven.

Die meisten Anleger dürften sich in der aktuellen Preisstruktur klar für Kauf oder Verkauf entscheiden. Wenn man jedoch die Aktie zu deutlich höheren Preisen gekauft hat, muss man ernsthaft überlegen. Man könnte jetzt die Verluste realisieren, um steuerlich relevante Gewinne in anderen Teilen des Portfolios zu kompensieren. Aus unternehmensspezifischer Sicht müsste man überlegen, wie lange es dauern könnte, bis man wieder schwarze Zahlen schreibt. Es könnten Jahre vergehen. Ein Verkauf würde ermöglichen, das Geld in andere gewinnträchtigere Investments zu stecken.

Andererseits könnte man bereits so weit im Minus sein, dass ein Verkauf und die Realisierung der Verluste nicht sinnvoll erscheinen. Wie viel weiter könnte die Aktie noch fallen? Die Antwort lautet theoretisch, bis auf null, aber vielleicht glaubt man weiterhin, dass ChargePoint irgendwann profitabel wird und die Aktie zu einem langfristigen Gewinner macht. Es gibt keinen Grund, nicht abzuwarten, solange man versteht, dass die finanziellen Ergebnisse schwer vorherzusehen sind und sich in absehbarer Zeit kaum verbessern werden.

Die Quintessenz für Anleger ist, dass die ChargePoint-Aktie riskant ist. Das Unternehmen steht finanziell schlecht da, und selbst die große Wachstumschance im EV-Ladesektor könnte nicht ausreichen, um die Aktie zu drehen. Nur die risikobereitesten Investoren sollten sie kaufen oder halten.