04. Dezember, 2024

Startups & VC

Chaos bei Ride: Vom Hoffnungsträger zum Absturz in Rekordzeit

Das Berliner Fintech Ride taumelt: Keine Gehälter, abgesprungene Partner und drohende Kündigungen – dabei wollte das Unternehmen nach der Übernahme gerade durchstarten.

Chaos bei Ride: Vom Hoffnungsträger zum Absturz in Rekordzeit
Ride galt als Vorzeige-Startup mit prominenten Investoren wie Mario Götze. Doch finanzielle Altlasten und abgesprungene Partner treiben das Unternehmen an den Rand des Scheiterns.

Das schnelle Ende der Euphorie

Am Freitag noch versuchte Ride, seine Kunden in einem Webinar von einem Neuanfang zu überzeugen. „Gestärkt aus der Krise“ war das Motto. Ein neues Führungsteam, frisches Kapital und ein rabattiertes Angebot sollten das Vertrauen zurückgewinnen. Doch nur wenige Tage später holte die Realität das Berliner Fintech ein.

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Am Mittwoch mussten die Mitarbeitenden in einem hastig einberufenen Meeting erfahren, dass die Gehälter für November ausbleiben – und schlimmer noch: Der Geschäftsbetrieb wird eingestellt. „Es flossen Tränen“, schilderte ein Teilnehmer die Atmosphäre. Für die rund 20 Angestellten, darunter Schwangere, steht nun nicht nur die berufliche Zukunft, sondern auch ein besinnliches Weihnachtsfest auf der Kippe.

Ein Modell mit Sollbruchstellen

Ride galt lange als Shootingstar der Fintech-Szene. Mit der Gründung von vermögensverwaltenden GmbHs wollte das Unternehmen Anlegern helfen, Steuern zu sparen. Investoren wie Fußballstar Mario Götze und Unternehmerin Verena Pausder waren an Bord, mehrere Millionen Euro flossen ins Startup.

Doch das Geschäftsmodell hatte eine Achillesferse: Es basierte auf der Zusammenarbeit mit externen Steuerkanzleien. Und genau hier liegt das Problem. Laut Eigentümer Raoul Heraeus sprangen mehrere Steuerpartner plötzlich ab. Ohne diese Unterstützung sei das Geschäftsmodell nicht tragfähig, erklärte Heraeus.


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Übernahme mit Fragezeichen

Erst Anfang November hatte der Investor und ehemalige Gesellschafter Heraeus das Fintech aus der Insolvenz übernommen. Für rund 500.000 Euro sicherte er sich das Kerngeschäft – ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass andere Interessenten angeblich siebenstellige Summen geboten hatten. Den Zuschlag erhielt Heraeus jedoch, weil er versprach, alle Mitarbeitenden zu halten.

Nun steht der Vorwurf im Raum, die Übernahme könnte anderen Zielen gedient haben. Insbesondere die firmeneigene Software „WePa“, die Wertpapiertransaktionen steuerkonform automatisiert, wird als wertvoller Asset gehandelt. Schnell Umsatz generieren, dann verkaufen?

Heraeus dementiert: „Wir hatten das Ziel, das Unternehmen nachhaltig weiterzuentwickeln.“

Krisenmodus seit Monaten

Bereits die Insolvenz im September hatte Ride ins Wanken gebracht. Finanzielle Altlasten aus früheren Immobiliengeschäften lasteten schwer. Die Gründer Christine Kiefer und Felix Schulte traten ab, Samed Yilmaz übernahm die Geschäftsführung.

Was folgte, war ein zähes Ringen um die Zukunft. Mehr als zwei Dutzend Interessenten meldeten sich, am Ende aber wollte niemand die Gesamtstruktur übernehmen – lediglich das Kerngeschäft war von Interesse. Doch auch dieser Plan steht nun vor dem Aus.

Die Perspektive der Mitarbeitenden

Für die Belegschaft ist die Situation desaströs. Viele hatten nach der Übernahme auf Stabilität gehofft. Stattdessen stehen sie nun mit ausbleibenden Gehältern und drohenden Kündigungen da. Heraeus betonte zwar, man wolle die Situation „so erträglich wie möglich“ gestalten, inklusive einer Auszahlung der Novembergehälter. Wie genau das gelingen soll, bleibt jedoch unklar.