Die Europäische Organisation für Kernforschung (Cern) in Genf steht kurz davor, ihre langjährige Zusammenarbeit mit Russland zu beenden. Diese Entscheidung, die als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine 2023 getroffen wurde, könnte weitreichende Folgen für die wissenschaftliche Gemeinschaft haben. Beate Heinemann, Direktorin für Teilchenphysik am Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy, hat bereits davor gewarnt, dass das Ende dieser Partnerschaft die wissenschaftliche Arbeit erschweren könnte.
Heinemann hob hervor, dass Russland über erhebliche Ingenieurkompetenzen verfügt. Zwar bleibe die Forschung möglich, aber sie könnte mit Verzögerungen einhergehen. Russische Wissenschaftler, die mit dem Cern kooperierten, haben ihre Expertise vor ihrem Ausscheiden so umfassend wie möglich weitergegeben, wie der Cern-Forschungsdirektor Joachim Mnich betonte. Dennoch bleibt die Lücke in der Detektortechnologie verkraftbar, und man erhofft sich keinen wesentlichen wissenschaftlichen Verlust.
Das Cern, bekannt für seinen leistungsstarken Teilchenbeschleuniger LHC bei Genf, hatte seit seiner Gründung im Jahr 1954 auch während des Kalten Krieges mit Russland kooperiert. Markus Klute vom Karlsruher Institut für Technologie bedauerte, dass diese wissenschaftliche Zusammenarbeit in einem friedlichen Umfeld vorerst nicht fortgesetzt werden könne.
Deutsche Einrichtungen, darunter das Desy und das KIT, haben ebenfalls ihre Partnerschaften mit russischen Instituten auf Eis gelegt. Klute beschrieb die meisten russischen Kollegen als herausragend, kritisierte jedoch die Leitung der Institute, die zunehmend politischen Zwecken diene. Alternativlösungen wurden bereits gefunden, um den Forschungsfortschritt zu sichern. Zudem konnten einige russische Wissenschaftler und Doktoranden neue Positionen in Deutschland oder anderen Ländern finden.
Herausforderungen entstanden auch durch den Ausfall russischer Komponenten aufgrund europäischer Sanktionen. Dies betrifft etwa drei Prozent der Gesamtkosten, was dazu führt, dass andere Förderer, wie das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, mehr Mittel bereitstellen müssen. Die Kooperation mit dem international orientierten Joint Institute for Nuclear Research bleibt jedoch weiter bestehen.