19. Mai, 2024

Politik

CDU-Grundsatzprogramm: Leitkultur als Verfassungspatriotismus?

CDU-Grundsatzprogramm: Leitkultur als Verfassungspatriotismus?

In der Neuausrichtung des Grundsatzprogramms der CDU schwingt ein Begriff mit, der Fragestellungen und Debatten der neunziger Jahre wieder aufleben lässt: die Leitkultur. Bedeutungsschwanger und mit einem Anklang an die Hochphase des damaligen Parteivorsitzenden Friedrich Merz steht die Frage im Raum, inwiefern dieser Terminus als passendes Konzept für die heutige Zeit gelten kann. Im aktuellen Programm findet die Leitkultur zwar ihren Platz, doch sie beschränkt sich scheinbar auf Kernaxiome, die ohnehin als universell betrachtet werden: die Anerkennung universeller Menschenrechte, die Bedeutung der Sprache, das Grundgesetz sowie die Rechtsstaatlichkeit.

Die Renaissance des Leitkultur-Begriffs ruft zugleich die Erinnerung an eine von Jürgen Habermas geprägte Kategorie ins Gedächtnis, nämlich den "Verfassungspatriotismus". Hierbei handelt es sich um eine Identitätskonstruktion, die auf den Prinzipien und Werten der Verfassung beruht und eine übergeordnete Klammer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellt. Die Kritik impliziert, dass das Konzept einer auf diese Weise definierten Leitkultur sich kaum von der Idee des Verfassungspatriotismus absetzt und somit lediglich eine alte Idee in neuem Gewand präsentiert. Die Partei stellt damit wohl eher eine im Wesen bekannte, wenn auch unter neuem Etikett präsentierte, Wertebasis zur Schau.