Ein Werk für Deutschland? Vielleicht. Eine Ansage? Sicher.
Chinesische Autohersteller sind längst mehr als Exoten auf europäischen Straßen – sie sind dabei, die Spielregeln zu verändern.
BYD, der derzeit größte E-Auto-Produzent der Welt, prüft laut einem Reuters-Bericht nun die Eröffnung eines dritten Werks in Europa. Und ausgerechnet Deutschland steht zur Debatte – obwohl das Unternehmen hier bislang kaum Fuß fassen konnte.
Ein Schritt mit doppelter Signalwirkung: geopolitisch wie wirtschaftlich.
Strategie statt Zufall
BYD hat bereits Fabriken in Ungarn und der Türkei in der Pipeline. Doch mit einem dritten Werk will das Unternehmen gezielt an Markenimage und Akzeptanz arbeiten.
Lokale Produktion bedeutet nicht nur bessere Versorgung und kürzere Wege – sondern auch: Zollvermeidung. Denn chinesische Hersteller geraten durch geplante EU-Schutzmaßnahmen zunehmend unter Druck.
Ein Standort in Deutschland wäre ein klarer politischer Fingerzeig: gegen die Abschottung, für Marktpräsenz. Und eine Antwort auf Tesla, das mit der Gigafactory Berlin längst gezeigt hat, dass Elektroautos „Made in Germany“ nicht zwangsläufig deutsch sein müssen.
Wirtschaftsstandort Deutschland: Fluch oder Pflichtprogramm?
Was für BYD spricht, spricht gleichzeitig gegen Deutschland: hohe Energiekosten, starre Arbeitszeiten, stagnierende Produktivität. All das macht deutsche Industrieflächen nicht unbedingt zu Traumzielen chinesischer Investoren.

Doch geopolitisch zählt auch, wer im Handelskonflikt EU–China wie Position bezieht. Deutschland hat sich – anders als Frankreich – gegen hohe Zölle auf chinesische Fahrzeuge ausgesprochen. Genau das könnte jetzt belohnt werden.
Denn laut Insidern rät die chinesische Regierung davon ab, in Ländern zu investieren, die Einfuhrzölle befürworten. Deutschland bleibt damit als einer der letzten europäischen „freundlichen“ Industriestandorte übrig – trotz aller wirtschaftlichen Hürden.
Der deutsche Markt? Noch eine Baustelle
So strategisch durchdacht ein Werk in Deutschland wäre – wirtschaftlich ist der Markt für BYD noch kein Erfolg. Gerade einmal 2.891 Fahrzeuge setzte das Unternehmen 2024 in der Bundesrepublik ab – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Die angepeilten 50.000 Neuzulassungen jährlich wirken angesichts dieser Zahlen ambitioniert.
Doch BYD denkt langfristig. Europachefin Stella Li und Regionalchefin Maria Grazia Davino bauen das Vertriebsnetz aus, bringen neue Modelle, setzen auf Bekanntheit durch Präsenz. Ein deutsches Werk würde nicht nur Autos liefern – es würde Vertrauen schaffen. Und eine Botschaft senden: Wir sind gekommen, um zu bleiben.
Alte Werke, neue Nutzer?
Laut Reuters haben chinesische Delegationen bereits leerstehende Fabriken deutscher Autohersteller besichtigt. Eine Übernahme bestehender Werke wäre deutlich kostengünstiger und schneller realisierbar als ein Neubau – und dürfte politisch weniger Widerstand erzeugen als ein „Werk auf der grünen Wiese“. Sollte es dazu kommen, könnte BYD also nicht nur produzieren, sondern auch Industriegeschichte weiterschreiben.
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