Deutschlands Bürokratiedschungel kostet die Wirtschaft jährlich satte 146 Milliarden Euro, so das Münchener Ifo-Institut. Unternehmer, Landwirte und Handwerker klagen über Dokumentationspflichten und Regelwut.
Doch wenn es um konkrete Vorschriften geht, die abgeschafft werden sollen, bleiben selbst Wirtschaftsverbände oft vage. Das eigentliche Problem: Wie die Regeln umgesetzt werden – und von wem.
Beamte: Verwalten statt gestalten
„Viele Beamte sind mehr damit beschäftigt, sich abzusichern, als Probleme zu lösen“, kritisiert Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum. Die Angst, durch Entscheidungen einen Fehler zu machen und damit die Karriere zu gefährden, prägt den Alltag in deutschen Ämtern.
Statt Ermessensspielräume zu nutzen, bleibt vieles im starren Korsett der Einzelfallprüfung stecken.
„Die Akte muss sauber bleiben“, lautet die Maxime.
Das Resultat: Bürger und Unternehmen werden mit unnötigen Nachweisen, Bescheinigungen und Gutachten belastet – selbst wenn moderne Technologien oder effizientere Verfahren längst bessere Lösungen bieten könnten.
Globale Vorbilder und ein Experiment
Während Deutschland im Bürokratieabbau nur langsam vorankommt, wagt man in den USA ein spektakuläres Experiment: Donald Trump hat Tesla-Gründer Elon Musk und Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy beauftragt, die Verwaltung zu reformieren. Ihr Ziel: Verschwendung eindämmen, Effizienz steigern.
Ob die libertären Unternehmer jedoch genug Freiraum erhalten, um die starre Struktur der US-Verwaltung aufzubrechen, bleibt fraglich. Trotzdem verfolgen Beobachter in Deutschland den Ansatz mit Interesse. „Deutschland könnte viel von diesem Pragmatismus lernen“, meint der Investor Frank Thelen.
Die Kosten der Misstrauenskultur
Das Kernproblem der deutschen Verwaltung sieht Bogumil in einer „Misstrauensverwaltung“, die auf Absicherung statt auf Vertrauen basiert. Ein Beispiel: Gastronomen müssen immer noch Kühlschranktemperaturen handschriftlich dokumentieren, obwohl moderne Geräte Abweichungen automatisch melden.
„Wir sollten uns vom Prinzip der Einzelfallprüfung verabschieden und auf Pauschalierungen setzen“, fordert Bogumil. Stichproben statt flächendeckender Kontrollen könnten viele Prozesse verschlanken. Gleichzeitig müssten Verstöße konsequent geahndet werden, um Missbrauch zu verhindern.
Reformansätze: Mehr Vertrauen, bessere Ausbildung
Eine Neuausrichtung der Verwaltung könnte bereits in der Ausbildung beginnen. „In der juristisch geprägten Beamtenausbildung stehen Rechtssicherheit und Vorschriftentreue im Fokus – Bürgernähe und pragmatische Problemlösung bleiben Nebensache“, so Bogumil.
Auch der Datenaustausch zwischen Behörden sei dringend reformbedürftig. Das sogenannte „Once Only“-Prinzip, wonach Daten nur einmal erfasst und dann zwischen Ämtern geteilt werden, scheitert in Deutschland häufig an Datenschutzproblemen und technischen Hürden.
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