Die deutsche Elektroindustrie steht vor einem Problem, das nicht durch schwache Nachfrage oder harte Konkurrenz verursacht wird – sondern durch Bürokratie.
Eine neue Branchenumfrage zeigt das ganze Ausmaß: Berichtspflichten und Regulierung kosten die Unternehmen inzwischen fast sechs Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht drei Prozent des Umsatzes – und damit fast der Hälfte des Jahresgewinns. Besonders Mittelständler sind betroffen. Doch statt Entlastung gibt es immer neue Vorschriften.
Jeder sechste Mitarbeiter mit Bürokratie beschäftigt
Laut der Umfrage des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) sind durchschnittlich 16 Mitarbeiter pro Unternehmen ausschließlich mit bürokratischen Aufgaben beschäftigt – das sind 32.000 Arbeitsstunden pro Jahr. Besonders der Erfüllungsaufwand für Nachhaltigkeitsberichte (ESG-Richtlinien) ist enorm. Allein dafür werden in der Regel drei Vollzeitstellen benötigt.
Für viele Firmen wird das zum Problem. Drei von fünf Unternehmen geben an, dass sie dadurch weniger Geld in Forschung und Entwicklung stecken können. Innovationen bleiben auf der Strecke. Fast ein Viertel der befragten Betriebe hat geplante Investitionen in Deutschland und Europa gestoppt.
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Ein absurdes Kostenkarussell
Die Bürokratie kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Die größten Kostenpunkte sind:
✔ Personalkosten: Unternehmen müssen teils ganze Abteilungen für regulatorische Anforderungen aufbauen.
✔ Beratungskosten: Über 75 Prozent der Firmen benötigen externe Berater, um die Vielzahl an Vorschriften überhaupt zu verstehen.
✔ IT- und Softwarekosten: Systeme zur Datenerfassung und Berichterstattung müssen teuer entwickelt oder zugekauft werden.
✔ Wirtschaftsprüferkosten: Jede noch so kleine Vorschrift muss durch Prüfgesellschaften abgenommen werden – für fünf- bis sechsstellige Summen pro Jahr.
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Umweltregeln: Unverhältnismäßig und wirkungslos?
Ein besonders kontroverses Thema sind die Umweltauflagen für die Branche. Denn die Elektroindustrie gehört nicht zu den großen Emittenten von CO₂.
Tatsächlich verursacht die gesamte deutsche Elektro- und Digitalbranche weniger als eine Million Tonnen CO₂ pro Jahr. Zum Vergleich: Das größte Kohlekraftwerk Europas in Polen stößt jährlich 40 Millionen Tonnen CO₂ aus – das 40-fache.
Die Unternehmen fordern daher eine Wirksamkeitsanalyse der aktuellen Vorschriften. Besonders die EU-Regularien für Nachhaltigkeitsberichte (ESG) gelten als überdimensioniert. Denn obwohl Deutschland nur für zwei Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist, werden hier die schärfsten Regeln weltweit umgesetzt.
Deutschland und die EU: Der Bürokratie-Weltmeister
Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2019 wurden in der EU rund 13.000 neue Verordnungen erlassen. In den USA waren es 3.000. Gleichzeitig gibt es in Deutschland aktuell 52.155 Gesetze und 44.272 Verordnungen – Tendenz steigend.
Die Bundesregierung hat mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV zwar eine erste Reform auf den Weg gebracht, doch die Realität ist ernüchternd: Von über 430 Vorschlägen der Wirtschaft wurden nur 11 umgesetzt.
Die Lösung: Weniger Vorschriften, mehr Praxisbezug
Die Elektroindustrie fordert von der Politik ein klares Signal: Weniger Bürokratie, mehr Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit. Eine Reduzierung der Bürokratielast um 25 Prozent, wie es die EU-Kommission angekündigt hat, könnte allein in dieser Branche über 1,5 Milliarden Euro freisetzen – Geld, das in Forschung und Entwicklung investiert werden könnte.