Die neue Analyse der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl, skizziert ein Bild wachsender Herausforderungen innerhalb der Bundeswehr. Eine der drängendsten Fragen ist die Personalsituation: Die Anzahl der Soldaten verharrt bei circa 181.000. Gleichzeitig stieg das Durchschnittsalter der Soldat:innen in den letzten Jahren von 32,4 auf nunmehr 34 Jahre. Högl drängt darauf, dass der kommende Bundestag das Vorhaben eines neuen Wehrdienstmodells sowie eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres dringend auf die politische Agenda setzt.
Besondere Dringlichkeit sieht Högl bei der Wiederaufnahme der Wehrerfassung, die seit dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 brachliege. Ohne diese fehlt dem Staat ein umfassendes Bild über potenzielle Wehrpflichtige, deren Bereitschaft und Fähigkeiten, einen Dienst in den Streitkräften anzutreten. Eine strukturelle Erfassung könnte sowohl die Personalplanung als auch die gezielte Ansprache von potenziellen Soldaten erheblich verbessern.
Finanziell verfügt die Bundeswehr über ein Verteidigungsbudget von rund 50,3 Milliarden Euro für das Jahr 2024, unterstützt durch ein Sondervermögen von 19,8 Milliarden Euro. Dennoch besteht Handlungsbedarf bei der effizienten Verwendung dieser Mittel, um ihre vollständige Ausschöpfung sicherzustellen. Beim Blick auf die Infrastruktur bleibt der Investitionsbedarf hoch, etwa durch marode Kasernen und stagnierende Bauprojekte. Ein aktuelles Beispiel ist eine Waffenkammer, die seit 2017 auf ihren Baubeginn wartet.
Ein weiteres Problemfeld ist die Bürokratisierung. Ein Zuviel an Regelungen bremst Prozesse aus und erschwert alltägliche Abläufe erheblich. Zudem ist die zögerliche Digitalisierung eine Belastung, was drastische Ausmaße annehmen kann, wie der immense Papierbedarf bei der Verlegung einer Kompanie unterstreicht. Im Bereich der Chancengleichheit sticht die Unterrepräsentation von Frauen hervor, die trotz Fortschritten häufig mit Vorurteilen, Diskriminierung und sexualisiertem Fehlverhalten konfrontiert sind.
Der Bericht zeigt auch die Schattenseiten der Bundeswehr auf: Extremismus ist mit über 300 durchgeführten Abwehroperationen des Militärischen Abschirmdienstes weiterhin ein kritisches Thema. Auch die gestiegene Zahl der Suizide und Selbsttötungsversuche innerhalb der Truppe signalisiert dringenden Handlungsbedarf. Angriffe auf die Bundeswehr, mit einem Anstieg der Straftaten auf 185 Fälle im Berichtsjahr, verdeutlichen den Handlungsdruck.
Trotz aller Herausforderungen unterstreicht der Bericht auch die positiven Leistungen der Streitkräfte. So retteten Soldaten allein 2024 in mindestens 57 dokumentierten Fällen das Leben von Menschen. Diese Geschichten gehen im öffentlichen Diskurs oft unter, zeigen jedoch das Engagement abseits medialer Aufmerksamkeit.