Die Bundeswehr steht vor einem logistischen Problem. Nach Jahrzehnten der Einsparungen ist sie nicht mehr in der Lage, im Krisen- oder Verteidigungsfall eigenständig für Nachschub, Truppenverlegung und Verwundetentransporte zu sorgen.
Nun sucht sie Unterstützung – bei der deutschen Privatwirtschaft. Laut vertraulichen Informationen aus Regierungskreisen sollen große Unternehmen aus der Transport- und Rüstungsbranche im Krisenfall einspringen.
Wie aus dem als „geheim“ eingestuften „Operationsplan Deutschland“ hervorgeht, will das Verteidigungsministerium Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Lufthansa und Rüstungskonzerne wie Rheinmetall in eine sogenannte „gesamtstaatliche Verteidigung“ einbinden.
Vertreter der Streitkräfte führen dazu bereits Gespräche mit der Wirtschaft. Doch das Vorgehen ist juristisch fragwürdig, denn solange kein offizieller Verteidigungsfall vorliegt, fehlen der Bundeswehr die rechtlichen Befugnisse, zivile Unternehmen für militärische Zwecke zu nutzen.
Deutschland als militärische Logistik-Drehscheibe
Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend zur logistischen Schaltzentrale der NATO entwickelt.
Im Kriegsfall sollen nach Bundeswehr-Planungen bis zu 800.000 Soldaten und 300.000 Fahrzeuge verbündeter Streitkräfte durch die Bundesrepublik an die NATO-Ostflanke transportiert werden. Dazu gehören auch Tausende Verwundete, für die täglich bis zu 1.000 Rücktransporte eingeplant sind.

Hier kommen private Unternehmen ins Spiel:
- Deutsche Bahn: Sie soll eine „substanzielle Zahl“ neuer Flachwagen für den Transport schwerer Militärfahrzeuge bereitstellen. Zudem prüft die Bundesregierung den Einsatz umgerüsteter ICE-Züge als „Bettenwagen“ für Verwundetentransporte.
- Lufthansa: Der Konzern soll in Zukunft stärker in die Wartung und Ausbildung von Bundeswehr-Personal eingebunden werden. Konzernchef Carsten Spohr betonte, dass Lufthansa-Techniker bereits jetzt Wartungsarbeiten für das Militär übernehmen und dieser Bereich ausgebaut werden könne.
- Rheinmetall: Der deutsche Rüstungskonzern hat bereits einen 260-Millionen-Euro-Vertrag erhalten, um die Verpflegung und Unterbringung von durchreisenden NATO-Soldaten zu organisieren.
Grauzone: Was darf die Bundeswehr im Inland?
Ein zentraler Streitpunkt ist die rechtliche Lage. Nach dem Grundgesetz hat die Bundeswehr im Inland fast keine Befugnisse – außer in klar definierten Ausnahmefällen wie Naturkatastrophen oder innerer Notlage. Die geplante Einbindung der Privatwirtschaft in eine militärische Notfallstrategie bewegt sich daher in einer Grauzone.
Sicherheits- und Verfassungsexperten warnen, dass damit möglicherweise faktisch ein „verdeckter Verteidigungsfall“ vorbereitet wird, ohne dass dieser offiziell ausgerufen wird. Denn solange kein Angriff auf Deutschland vorliegt, gibt es keine rechtliche Grundlage für eine so tiefgehende Integration der Wirtschaft in militärische Strukturen.
Politische Kritik und geopolitische Unsicherheit
Die zunehmenden Spannungen mit Russland und die Unsicherheiten über das transatlantische Sicherheitsversprechen der USA sorgen für zusätzliche Brisanz. Der Vizechef des Bundesverfassungsschutzes, Sinan Selen, warnte kürzlich vor einer „besorgniserregenden Bedrohungslage“ und verwies auf Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur.
Doch nicht alle in der Politik sehen die Pläne der Bundeswehr positiv. Kritiker befürchten, dass die zunehmende Militarisierung der Wirtschaft langfristig die zivile Infrastruktur schwächen könnte. Auch gibt es Zweifel, ob Unternehmen wie die Bahn und Lufthansa überhaupt die Kapazitäten haben, neben ihrem regulären Betrieb auch noch eine militärische Notfalllogistik zu stemmen.
Die Bundesregierung will die Pläne dennoch weiterverfolgen. Ob sie ohne eine verfassungsrechtliche Debatte durchsetzbar sind, bleibt abzuwarten. Fest steht: Die Bundeswehr ist auf private Hilfe angewiesen – doch der Preis für diese Abhängigkeit könnte hoch sein.
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