Nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der Bundestag derzeit mit der Aufgabe betraut, den Etat für das kommende Jahr zu diskutieren. Die Entscheidung der Karlsruher Richter könnte dazu führen, dass eine Lücke von 60 Milliarden Euro bei der Finanzierung von Projekten für den Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Industrie entsteht. Darüber hinaus könnte das Urteil den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen generell in Frage stellen. Der Bund unterhält allein 29 solcher Sondertöpfe neben dem regulären Haushalt, die über eine Verschuldungsmöglichkeit in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro verfügen.
Finanzminister Christian Lindner bremste jedoch eine Diskussion über grundlegende Konsequenzen ab. Die Bundesregierung werte das Urteil sorgfältig aus, so Lindner. Der FDP-Chef betonte, dass die Schuldenbremse und der Verzicht auf Steuererhöhungen weiterhin wichtige Grundsätze der Ampel-Politik seien. Allerdings müsse die Koalition jetzt lernen, Prioritäten zu setzen, was bereits seit vielen Jahren ein Problem darstelle.
Trotz der Unsicherheiten möchte die Ampel an ihrem Zeitplan zur Verabschiedung des Haushalts für 2024 am 1. Dezember festhalten. Eine wichtige Beschlussfassung auf dem Weg dorthin wurde aufgrund eines Antrags der Union um eine Woche verschoben. Der Haushaltsausschuss soll nun erst am kommenden Donnerstag die letzten Änderungen im Etat billigen, obwohl dies eigentlich für die Nacht zuvor geplant war. Die Beschlüsse werden jetzt unter Vorbehalt gefasst.
Am Donnerstag begann zwar die Bereinigungssitzung, in der die Minister ihre Etats vor dem Ausschuss verteidigen müssen. Doch es sollen am Dienstag zunächst noch Sachverständige angehört werden. Die Frage bleibt, ob der Haushalt für 2024 nach dem Gerichtsurteil wie geplant beschlossen werden kann.
Die Union hält dies für ausgeschlossen. Fraktionsvize Mathias Middelberg argumentiert beispielsweise, dass das Urteil auch den 200 Milliarden Euro schweren Sondertopf für die Energiepreisbremsen infrage stellt. Auch AfD-Haushälter Peter Boehringer äußerte Bedenken und sieht den vorgelegten Haushalt schon bei dessen Verabschiedung verfassungsrechtlich angreifbar.
Aus Protest beschlossen die Unionshaushälter, in der Bereinigungssitzung keine eigenen Änderungsanträge zu stellen. Fraktionschef Friedrich Merz erklärte, dass im kommenden Jahr ein Nachtragshaushalt erforderlich sein werde. Es sei jedoch gesetzlich unzulässig, darüber Bescheid zu wissen, aber nicht zu handeln.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch die Umwidmung von 60 Milliarden Euro Krediten im Haushalt von 2021 für nichtig erklärt. Ursprünglich waren diese Kredite zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten dann aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun fehlen die Milliarden.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch warf der Regierung vor, dem Land Versprechen gemacht zu haben, die nicht gedeckt seien. Er fragte, woher das Geld jetzt kommen solle. Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warf insbesondere Friedrich Merz vor, keine eigenen Vorschläge zu machen. Es sei unverantwortlich, dass die Union gleichzeitig die Beratungen zum Haushalt blockiere.
Wirtschaftsminister Robert Habeck betonte, dass es weiterhin Förderung für den klimafreundlichen Umbau der Industrie geben müsse. Das Urteil des Verfassungsgerichts sage zwar, dass die bisherige Vorgehensweise nicht funktioniere, aber es müsse dennoch eine andere Lösung gefunden werden. Andernfalls könnten auch Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet sein. Das Umweltbundesamt schlug vor, "klimaschädliche Subventionen" abzubauen, um das Geld anderswo aufzubringen. Beispiele dafür seien die Energiesteuervergünstigung von Diesel und das Dienstwagenprivileg.