Ein Streit um die Zukunft
Bosch, das Aushängeschild des deutschen Mittelstands und global führender Autozulieferer, steht unter Druck. Der geplante Abbau Tausender Arbeitsplätze hat die Diskussion um die Zukunft des Unternehmens neu entfacht.
Besonders brisant: Die Streichungen treffen vor allem Bereiche, die als zentrale Bausteine des Wandels hin zur Elektromobilität und Digitalisierung gelten – Softwareentwicklung, autonomes Fahren und Komponenten für Elektromotoren.
Frank Sell, Betriebsratschef der Mobility-Solutions-Sparte, zeigte sich empört:
„Das ist ein Bruch mit der bisherigen Unternehmenskultur. Statt langfristiger Strategie erleben wir hektische Korrekturen auf dem Rücken der Beschäftigten.“
Seine Kritik trifft ins Mark: Noch vor wenigen Jahren hatte Bosch groß angekündigt, zur Spitze der Software- und Elektromobilitätswelt aufzusteigen.
Fehlkalkulationen mit Folgen
Die Unternehmensführung räumt selbst Fehler ein. Bosch habe den technologischen Wandel überschätzt, insbesondere den Übergang zum automatisierten Fahren. „Unsere Kunden haben Projekte verschoben oder gestrichen“, erklärte Bosch-Arbeitsdirektor Stefan Grosch.
Besonders betroffen ist die Softwareentwicklung, wo Bosch zuletzt massiv aufgerüstet hatte – zu massiv, wie sich nun zeigt. Etwa 40 Prozent der Stellen im Bereich Domain Computing Solutions stehen auf der Kippe.
Das Problem liegt jedoch nicht nur in der Software. Auch die Produktion von Bauteilen für Elektromotoren, wie im Werk Hildesheim, ist betroffen. „Die Transformation ist hier schon vollzogen, doch die Auftragslage bleibt schwach“, erklärte der Betriebsrat vor Ort.
Bis 2032 sollen rund 750 Stellen gestrichen werden – nicht durch Kündigungen, sondern über Abfindungen und Frühverrentungen.
Ein Drahtseilakt zwischen Einsparungen und Innovation
Die Gewerkschaften werfen Bosch vor, zu kurzsichtig zu handeln. „Es ist irrsinnig, Milliarden in Abfindungen zu stecken, statt langfristig in Zukunftstechnologien zu investieren“, kritisierte Sell. Tatsächlich ist der Konflikt symptomatisch für die Herausforderungen der gesamten Branche: Elektromobilität benötigt weniger Bauteile und weniger Personal. Doch gerade in dieser Phase wären Innovationen entscheidend, um sich gegenüber internationalen Wettbewerbern zu behaupten.
Bosch versucht derweil, die Wogen zu glätten. „Wir wollen gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern Lösungen erarbeiten, das ist unser Stil“, so Grosch.
Dennoch bleiben die Fronten verhärtet, insbesondere weil der geplante Stellenabbau eine ernüchternde Wende in den ambitionierten Zukunftsplänen des Konzerns darstellt.
Ein Markt in der Krise
Die Probleme bei Bosch spiegeln die Schwierigkeiten der gesamten Automobilbranche wider. Während die Verkäufe in Europa stagnieren, erhöhen Hersteller weltweit den Druck auf Zulieferer, Kosten zu senken.
Zusätzlich produzieren viele Autobauer ihre Elektromotoren und Softwarelösungen zunehmend selbst, um eigene Arbeitsplätze zu sichern. Dies setzt Unternehmen wie Bosch weiter unter Zugzwang.
Die Lage wird durch eine Verzögerung bei technologischen Trends verschärft. Statt Robotaxis und hochautomatisierter Fahrzeuge (Level 4) dominiert der Markt noch immer einfache Assistenzsysteme (Level 2). Besonders in China, dem Leitmarkt für Elektromobilität, verlaufen Entwicklungen langsamer als erwartet.
Hoffnung und Frustration
Trotz der Kritik versuchen Betriebsräte und Management, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Eine Initiative ist die sogenannte Personaldrehscheibe, die Mitarbeitern hilft, neue Stellen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens zu finden.
Bis Ende des Jahres sollen mehr als 400 Beschäftigte über dieses Programm vermittelt werden. Doch auch dies ist für viele Betroffene nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
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