Nach einem demütigenden Rückschlag für seine Raumfahrtambitionen steht Boeing vor einem Dilemma, das nationale Verpflichtungen gegen angespannte Finanzreserven abwägen muss. Kelly Ortberg, der neuinstallierte CEO von Boeing, sieht sich mit der Frage konfrontiert, wie es mit dem strauchelnden Starliner-Programm weitergehen soll. NASA entschied am Wochenende, keine Astronauten mit der als fehlerhaft bekannten Raumkapsel zur Erde zurückzubringen und auf Elon Musks SpaceX zu setzen. Dies kommt nach Wochen intensiver Tests und hitziger Debatten.
Für Boeing ist das nur eine von vielen peinlichen Episoden in einem Jahr, das bereits eine Beinahe-Katastrophe eines 737 Max-Jets, Bundesuntersuchungen und eine Neuordnung der Führungsetage umfasste. Ortberg und das interne Führungsgremium "Exco" müssen nun Fragen zum Engagement des Unternehmens in der bemannten Raumfahrt und dem Starliner-Programm beantworten. Seth Seifman, Analyst bei JPMorgan, warnte bereits, dass die Entscheidung zu weiteren Verlusten führen könnte. Die Aktien von Boeing fielen um 1% im vorbörslichen Handel.
Der neue CEO hat freie Hand für umfassende Veränderungen und könnte im schlimmsten Fall das Starliner-Programm vollständig einstellen. Ob Boeing letztendlich aus dem Programm aussteigt, hängt von vielen Faktoren ab, darunter die Leistung von Starliner bei seiner bevorstehenden unbemannten Rückkehr zur Erde. NASA könnte eine erneute Testmission fordern, bevor die Kapsel wieder Astronauten transportieren darf, was zusätzliche Kosten von etwa 400 Millionen Dollar verursachen könnte.
Boeings angespannte Bilanz und ein erwarteter Geldabfluss von mindestens 5 Milliarden Dollar in diesem Jahr stellen weitere Herausforderungen dar. Die Gesellschaft hat bereits rund 1,6 Milliarden Dollar an Kostenüberschreitungen verbucht und es scheint unwahrscheinlich, dass sie jemals Gewinne mit Starliner erzielen wird.
Starliner ist nur eines von mehreren Festpreisprojekten, das Boeings Profitabilität belastet. Das Verteidigungs- und Raumfahrtsegment des Unternehmens verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 einen Betriebsverlust von 762 Millionen Dollar. Das sind bedrückende Zahlen für den neuen CEO, der das Chaos innerhalb des Unternehmens beseitigen will. Douglas Harned, Analyst von Bernstein, betonte die Notwendigkeit, dass Ortberg eine gründliche Neubewertung vornimmt.
Intern diskutiert Boeing bereits mögliche nächste Schritte und bleibt laut Vizepräsident und Programmmanager Mark Nappi bereit, die notwendigen Maßnahmen zur Unterstützung von NASAs Entscheidungen zu ergreifen. Die Zukunft von Boeings langfristigem Engagement im Starliner-Programm bleibt ungewiss, ebenso wie die strategischen Alternativen, die die NASA ins Auge fassen könnte.
Letztlich hat die NASA selbst wichtige Entscheidungen zu treffen, da sie bestrebt ist, ihre kommerziellen Crew-Programme voranzubringen. Obwohl SpaceX bereits mehrere erfolgreich bemannte Missionen durchgeführt hat, bleibt Boeing nach wie vor eine entscheidende Komponente in NASAs Multiplattformstrategie. Sollte Boeing jedoch aussteigen, stünde das Programm vor erheblichen Verzögerungen und Unsicherheiten.
Für Ortberg und sein neues Team bleibt noch viel zu tun, nicht nur im Bereich der Raumfahrt, sondern auch in der kommerziellen Flugzeugproduktion, die massive Herausforderungen bereithält. Der Ausgang dieser Entwicklungen wird sowohl für Boeing als auch für die NASA von großer Bedeutung sein.