Der US-Flugzeugbauer Boeing steht erneut am Scheideweg. Nach jahrelangen Krisen und Rückschlägen, die sich aus einer Reihe technischer Pannen und Produktionsproblemen ergaben, erwägt der Konzern laut einem Bericht des Wall Street Journal den Verkauf von Randbereichen.
Ziel ist es, mit dem Verkauf von Unternehmensteilen dringend benötigte Liquidität zu generieren. Dies könnte Boeing helfen, die anhaltende Krise zu überstehen und gleichzeitig Investitionen in lukrativere Geschäftsfelder zu ermöglichen.
Verkauf von Unternehmensteilen als Rettungsanker?
Boeing, seit Jahren im Schatten des europäischen Konkurrenten Airbus, kämpft an allen Fronten. Während die Nachfrage nach neuen Flugzeugen steigt, bleibt das Unternehmen durch Produktionsprobleme und Qualitätsmängel im Hintertreffen.
Der geplante Verkauf von Unternehmensteilen könnte kurzfristig helfen, die finanziellen Engpässe zu lindern. Laut Insidern stehen insbesondere weniger rentable Geschäftsbereiche auf der Streichliste. Konkrete Details über die geplanten Verkäufe wurden bislang jedoch nicht bekannt.
Doch der Verkauf allein wird die strukturellen Probleme des Konzerns kaum lösen. Boeing muss weiterhin Milliarden in die Qualitätssicherung und die Optimierung seiner Produktionsprozesse stecken – Bereiche, die in der Vergangenheit für große Schlagzeilen gesorgt haben. Vor allem das Qualitätsmanagement steht immer wieder in der Kritik.
Streikende Arbeiter erzwingen massives Lohnplus
Parallel zum angestrebten Verkauf von Randgeschäften konnte Boeing eine Einigung im seit Wochen andauernden Streik von zehntausenden Arbeitern erzielen.
Das neue Angebot: Eine Lohnerhöhung von 35 Prozent über die nächsten vier Jahre sowie eine Einmalzahlung von 7.000 US-Dollar. Damit scheint der Arbeitskampf, der die Produktion von Boeings Erfolgsmodellen 737 und 777 empfindlich gestört hat, vorerst beendet.
Für Boeing kommt diese Einigung zu einem hohen Preis. Die finanziellen Belastungen steigen weiter, und das in einer Zeit, in der der Konzern ohnehin unter enormem Druck steht.
Doch für die rund 33.000 betroffenen Arbeiter bedeutet der Abschluss eine willkommene Kompensation nach mehreren Nullrunden im letzten Jahrzehnt.
Schwerwiegende Produktionsausfälle durch Streik
Der Arbeitskampf traf Boeing zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Seit dem Beginn des Streiks im September standen die Produktionslinien der 737 und 777 still – zwei Modelle, die für den langfristigen Erfolg des Unternehmens entscheidend sind.
Diese Produktionsausfälle kosten den Konzern nicht nur Umsätze, sondern auch wertvolle Marktanteile im Wettbewerb mit Airbus. Kunden, die auf ihre bestellten Maschinen warten, verlieren zunehmend das Vertrauen in den US-Riesen.
Die Verhandlungen zwischen Boeing und der Gewerkschaft IAM waren hart. Mehrere Angebote des Unternehmens wurden von den Arbeitern abgelehnt.
Zuletzt bot Boeing eine Gehaltserhöhung von 30 Prozent an, die jedoch von der Gewerkschaft als unzureichend zurückgewiesen wurde. Besonders die direkte Kommunikation von Boeing mit den Arbeitern, ohne die Gewerkschaft einzubinden, führte zu weiteren Spannungen.
Krise bei Boeing: Es brodelt hinter den Kulissen
Boeing steht nicht nur wegen der finanziellen Engpässe und den Arbeitskämpfen im Rampenlicht. Eine Serie von Pannen hat den Ruf des Unternehmens in den letzten Jahren massiv beschädigt. Besonders tragisch war der Vorfall mit einer fast neuen 737 Max von Alaska Airlines, bei der während des Steigflugs ein Rumpffragment herausbrach.
Nach Untersuchungen stellte sich heraus, dass entscheidende Befestigungselemente fehlten – ein schwerwiegender Mangel, der das Vertrauen in Boeings Qualitätskontrollen weiter erschütterte.
Solche Vorfälle werfen die Frage auf, ob der Konzern aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Bereits die tragischen Abstürze der 737 Max hatten Boeing schwer in Bedrängnis gebracht, und die Nachwirkungen dieser Krise sind bis heute spürbar.
Blick nach vorn: Kapitalerhöhung und Stellenabbau
Um die finanziellen Herausforderungen zu bewältigen, hat Boeing kürzlich Schritte unternommen, die eine Kapitalerhöhung ermöglichen sollen. Über die Ausgabe von Aktien und Schuldtiteln könnte Boeing bis zu 25 Milliarden US-Dollar einnehmen. Zusätzlich hat sich der Konzern eine Kreditlinie von 10 Milliarden Dollar gesichert, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken.
Doch auch das wird nicht ausreichen, um die strukturellen Probleme des Unternehmens langfristig zu lösen. Boeing plant einen umfassenden Stellenabbau – zehn Prozent der Belegschaft sollen gehen. Angesichts von rund 170.000 Mitarbeitern könnte dies mehr als 17.000 Arbeitsplätze betreffen. Boeing-Chef Kelly Ortberg erklärte, dass dieser Schritt notwendig sei, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.