Der traditionsreiche US-Flugzeugbauer Boeing sieht sich nach wie vor mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, die seine ohnehin seit Jahren andauernde Krise weiter vertiefen. Im vergangenen Jahr wurden lediglich 348 Maschinen ausgeliefert. Dies bedeutet einen Rückgang von 180 Einheiten im Vergleich zum bereits durch Krisen schwer gezeichneten Vorjahr. Der europäische Wettbewerber Airbus hingegen konnte seine Auslieferungen dank bewundernswerter Anpassung an die Engpässe der Zulieferkette auf beeindruckende 766 Flugzeuge erhöhen, was den Abstand zwischen beiden Konzernen weiter vergrößert.
Die Bekanntgabe dieser Zahlen sorgte an der Wall Street für eine negative Resonanz: Die Boeing-Aktie verzeichnete einen Rückgang von gut zwei Prozent und fiel auf 167 US-Dollar. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat das Papier die Hälfte seines Werts eingebüßt. Bereits 2019 hatte Airbus Boeing als weltweit größten Flugzeugbauer überholt, als der Absturz zweier 737 Max Flugzeuge zu einem weltweiten Flugverbot führte.
Im Jahr 2024 versetzte das Herausbrechen eines großen Rumpfteils einer 737 Max während eines Fluges den angeschlagenen Hersteller in weitere Turbulenzen. Die US-Luftfahrtbehörde FAA verschärfte daraufhin ihre Kontrollen und setzte deren Produktionssteigerung vorerst aus. Ähnlich problematisch gestalten sich die Herausforderungen bei den Großraumjets 777 und 787 "Dreamliner". Ein siebenwöchiger Streik der Belegschaft im Herbst verschärfte die Probleme signifikant.
Ungeachtet der Tatsache, dass Boeing weiterhin Neubestellungen verzeichnet, bleibt der Abstand zu Airbus deutlich. Boeing erhielt im vergangenen Jahr Bestellungen für 569 Jets, nach Stornierungen blieben davon aber nur 377 übrig. Im Vergleich dazu verzeichnete Airbus nach Abzug von Stornierungen beeindruckende 826 Bestellungen.
Das Auftragsbuch von Boeing umfasst zwar 6245 Jets, bleibt jedoch weit hinter den 8658 Maschinen von Airbus zurück. Beide Unternehmen kämpfen jedoch gleichermaßen mit den Herausforderungen der Nach-Pandemie-Welt, in der Lieferketten angespannt bleiben und Zulieferer die Nachfrage nur schwer bedienen können. Welche finanziellen Auswirkungen diese Probleme konkret für Boeing haben, wird sich bei der Präsentation der Jahreszahlen am 28. Januar zeigen. Erwartet wird ein weiteres Verlustjahr – das sechste in Folge. Ein Lichtblick könnte der Führungswechsel sein. Seit Sommer letzten Jahres ist Kelly Ortberg an der Konzernspitze, der im Herbst bereits auf eine andauernde strapaziöse Phase vorbereitete.