Der Krieg in der Ukraine geht in sein nächstes tragisches Kapitel, und die Forderungen nach härteren Maßnahmen gegen Russland werden lauter. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz bleibt bei seiner ablehnenden Haltung. Bei einem EU-Gipfel in Brüssel machte er deutlich, dass Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper liefern wird. „Das halte ich nicht für eine richtige Lieferung – und dabei bleibt es auch“, sagte Scholz am Donnerstagabend.
Eskalationsgefahr: Scholz warnt vor Nato-Einbindung
Scholz begründete seine Entscheidung mit der Sorge vor einer möglichen Eskalation des Krieges. Der Kanzler betonte, dass der Konflikt nicht zu einem direkten Krieg zwischen der Nato und Russland führen dürfe.
Die Lieferung der reichweitenstarken Taurus-Raketen könnte eine solche Eskalation provozieren. Diese Marschflugkörper, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben, könnten tief ins russische Territorium eindringen – ein Szenario, das die Bundesregierung um jeden Preis vermeiden möchte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hingegen sieht in den Raketen eine Chance, Russland zu Friedensverhandlungen zu zwingen. Auf dem EU-Gipfel präsentierte er seinen „Siegesplan“, der neben den Taurus-Raketen auch eine schnelle Einladung der Ukraine in die Nato vorsieht.
Doch Scholz bleibt auch hier hart: „Die Ukraine wird ihren Weg in die Nato fortsetzen, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Einladung“, erklärte er.
Nato-Beitritt: Scholz verweist auf Gipfelbeschlüsse
Scholz verwies auf die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Washington, bei dem keine schnelle Einladung der Ukraine zum Beitritt ausgesprochen wurde. Stattdessen wurde der Ukraine lediglich allgemein zugesichert, dass ihr Weg in die Nato nicht mehr aufzuhalten sei – ein Versprechen ohne konkrete zeitliche Vorgaben.
Zunächst müssten alle Nato-Mitglieder zustimmen, und die Ukraine müsse umfassende Reformen in den Bereichen Demokratie, Wirtschaft und Sicherheit umsetzen.
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Scholz machte klar, dass es nicht angebracht sei, Selenskyjs Plan öffentlich im Detail zu diskutieren. „Das tun wir intern“, betonte der Kanzler. Offen blieb, welche Schritte Deutschland tatsächlich bereit ist, zu unterstützen, um die Ukraine weiter zu stärken – ohne jedoch die Nato direkt in den Konflikt hineinzuziehen.
Kritik an Friedrich Merz: Politische Wende nach den Wahlen
Neben der Ukraine-Frage geriet auch die deutsche Innenpolitik ins Visier. Scholz kritisierte Unionsfraktionschef Friedrich Merz für dessen „irritierende“ Wende in der Debatte um Waffenlieferungen.
Vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland habe Merz monatelang zu den Taurus-Lieferungen geschwiegen, so der Kanzler. „Jetzt, nach den Wahlen, spricht er sich plötzlich dafür aus.“
Merz hatte nach den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg seine Bereitschaft signalisiert, Taurus-Raketen unter bestimmten Bedingungen zu liefern. Er schlug vor, dass der Westen härter gegenüber Russland auftreten sollte, wenn Putin seine Angriffe fortsetze.
Merz forderte, dass Europa gemeinsam entscheiden müsse, die Reichweitenbegrenzung für westliche Waffen aufzuheben, sollte Russland nicht einlenken. Falls Putin nicht aufhöre, Zivilisten zu bombardieren, müsse auch Deutschland Taurus-Raketen liefern, erklärte Merz.
Der politische Druck wächst
In der deutschen Innenpolitik wächst der Druck auf Scholz, härter gegenüber Russland aufzutreten. Während die Ampel-Koalition weiter an der bisherigen Linie festhält, fordern immer mehr Stimmen, dass Deutschland seine militärische Unterstützung für die Ukraine ausweitet. Doch Scholz bleibt skeptisch. „Es geht darum, einen kühlen Kopf zu bewahren“, sagte er. „Eine falsche Entscheidung könnte fatale Folgen haben.“