Ein Brand, ein Ausfall, ein globales Chaos
In der Nacht auf Donnerstag brannte im Londoner Stadtteil Hayes ein Umspannwerk – ein Zwischenfall, wie es ihn in jeder größeren Strominfrastruktur geben kann.
Doch das Feuer hatte Folgen, die über Großbritannien hinausreichen: Der Flughafen Heathrow, Europas größtes Drehkreuz mit täglich Hunderttausenden Passagieren, musste vollständig schließen. 1351 Flüge wurden gestrichen oder umgeleitet. Über 290.000 Menschen strandeten.
Was wie ein technisches Problem klingt, ist ein strategischer Albtraum. Denn nicht Sabotage oder Cyberattacken legten Heathrow lahm – sondern fehlende Redundanz. Ein einzelner Brand, ein einzelner Knotenpunkt im System – und alles steht.
„Ein Weckruf für Europa“
Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte, spricht von einem „Skandal mit Ansage“. Seine Analyse ist eindeutig: „Es kann nicht sein, dass ein einziger Vorfall dieser Art ausreicht, um den fünftgrößten Flughafen der Welt komplett abzuschalten.“ Was in Heathrow geschah, sei „ein Wake-up-Call für die gesamte europäische Luftfahrtbranche“.
Dabei sind die Vorschriften eigentlich klar: Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) und die europäische Luftsicherheitsagentur EASA fordern redundante Stromversorgungssysteme für alle flugbetrieblich relevanten Infrastrukturen. Doch wie Heathrow zeigt, werden diese Standards nicht immer erfüllt – oder im Ernstfall schlicht nicht wirksam.

Angriffspunkte im Rücken der Sicherheitsarchitektur
Die Bedrohungslage hat sich gewandelt – und die Luftfahrt reagiert zu langsam. Während Flughafenterminals mit modernsten Scannern und Sicherheitsprotokollen geschützt sind, bleiben viele kritische Bereiche im Hintergrund verwundbar: Stromversorgung, Netzwerkinfrastruktur, Zutritt zu Rollfeldern. Nicht nur in Großbritannien.
„Die Sicherheitslogik ist in den Neunzigern steckengeblieben“, sagt ein Insider aus der Flughafenplanung. „Wir denken ständig an Bomben im Koffer. Aber wer heute ein System stören will, muss nicht durch die Sicherheitskontrolle – er braucht nur einen Zugang zu einem Versorgungsnetz.“
Frankfurt zeigt, wie es besser geht – aber auch nicht perfekt
In Deutschland ist man alarmiert, aber nicht überrascht. Am Frankfurter Flughafen, dem wichtigsten Luftverkehrsknoten der Republik, verweist man auf bestehende Redundanzsysteme. Zwei Stromversorger, zwei getrennte Leitungsnetze, zusätzlich Notstromaggregate und Batterien.
„Wir haben aus der Vergangenheit gelernt“, heißt es dort. Doch auch hier ist man sich bewusst: Vollständig geschützt ist man nicht. „Absolute Sicherheit gibt es nicht – insbesondere in einer Zeit wachsender geopolitischer Spannungen.“
Frankfurt geht deshalb einen Schritt weiter: Der Flughafen investiert in dezentrale Energiequellen, große Solarpaneele und eine Umstellung der Flughafenflotte auf bidirektionales Laden. Fahrzeuge sollen künftig nicht nur elektrisch fahren, sondern auch als mobile Stromspeicher für Notfälle dienen.
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Kritis-Gesetz: Mehr als ein juristischer Rahmen nötig
Auf Bundesebene sorgt der Fall Heathrow für neue Bewegung in der Debatte um den Schutz kritischer Infrastruktur. Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, fordert, das geplante Kritis-Dachgesetz müsse über die bloße Erhebung von Pflichten hinausgehen.
„Wer resiliente Infrastrukturen will, muss sie auch finanzieren“, so Beisel. Er fordert Investitionshilfen aus dem neuen Sondervermögen des Bundes – nicht nur für Terminals, sondern auch für die Versorgungsnetze im Hintergrund.
Geopolitik trifft Betriebssicherheit
Der Ausfall von Heathrow zeigt auch, wie sehr sich zivile Infrastruktur inzwischen im Spannungsfeld globaler Konflikte befindet. Die Anti-Terror-Einheit in London hat Ermittlungen aufgenommen, weil bislang unklar ist, ob das Feuer im Umspannwerk wirklich ein Unfall war.
Selbst wenn keine Absicht vorlag – die Signalwirkung ist eindeutig: Wer kritische Punkte in der Energie- oder IT-Versorgung attackiert, kann mit minimalem Aufwand maximalen Schaden verursachen.
Letzte Generation und Sicherheitsparadox
Auch in Deutschland haben wiederholte Aktionen der „Letzten Generation“ gezeigt, wie leicht Flughäfen punktuell gestört werden können. Doch während diese Vorfälle öffentlich stark diskutiert wurden, sind die strukturellen Schwachstellen in der Strom- und Datentechnik kaum Thema.
„Es braucht keine Massenproteste, um Flughäfen zu gefährden. Ein einzelner Fehler reicht – oder ein einzelner Saboteur“, sagt Großbongardt. Seine Forderung: „Wir müssen umdenken. Und wir müssen das jetzt tun.“