19. September, 2024

Technologie

Bitterfelds große Hoffnung – Europas erste Lithium-Raffinerie nimmt Fahrt auf

Mitten in Sachsen-Anhalt startet Europas erste Anlage zur Verarbeitung von Lithium. Dahinter steckt Heinz Schimmelbusch, ein Manager, der schon einmal ganz oben war – und jetzt ein zweites Mal Geschichte schreiben will.

Bitterfelds große Hoffnung – Europas erste Lithium-Raffinerie nimmt Fahrt auf
Europas erste Raffinerie für Lithiumhydroxid produziert genug Material für 500.000 E-Auto-Batterien jährlich – ein wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit von chinesischen Lieferketten.

Vier graue Hallen und ein Hoffnungsträger für Europa

Was auf den ersten Blick unspektakulär aussieht, könnte für die europäische Industrie zum Schlüsselprojekt werden.

In Bitterfeld-Wolfen, mitten in Sachsen-Anhalt, hat Europas erste Lithium-Raffinerie ihre Tore geöffnet. Ein Meilenstein für die Elektromobilität und ein klarer Schritt Richtung Unabhängigkeit von China, das den Markt bisher dominiert.

Der Mann hinter dem Projekt ist Heinz Schimmelbusch. In den 90ern war er als Chef der Metallgesellschaft in den Schlagzeilen – und nicht gerade positiv. Doch jetzt, im Alter von 80 Jahren, meldet sich der einst umstrittene Manager mit einem neuen, zukunftsweisenden Projekt zurück.

„Wir sind zu lange von China abhängig gewesen“, sagt Schimmelbusch. „Diese Raffinerie ist ein Zeichen, dass Europa aufholen kann.“
Schimmelbusch betont die Vorteile Deutschlands in operativer Qualität und Fachwissen, während der energieintensive Teil der Produktion in Brasilien abgewickelt wird, um Kosten zu senken.

Lithium für eine halbe Million Batterien

Was in Bitterfeld produziert wird, ist nichts weniger als das Herzstück der E-Mobilität: Lithiumhydroxid. Die neue Anlage wird zu Beginn genug Material liefern, um jährlich 500.000 Elektroauto-Batterien zu versorgen.

Das klingt viel, doch AMG, das Unternehmen von Schimmelbusch, hat bereits größere Pläne.

„Wir sind flexibel“, sagt Stefan Scherer, der Chef von AMG Lithium. „Je nach Nachfrage können wir die Kapazitäten erhöhen.“

Und die Nachfrage wird kommen. Auch wenn die E-Mobilität derzeit in Europa schwächelt – die Zukunft gehört den Batterien. Immerhin wollen Unternehmen wie Volkswagen, Mercedes und Stellantis (der Mutterkonzern von Fiat und Peugeot) ihre E-Auto-Produktionen massiv ausbauen. Doch eines fehlte bisher: Die Rohstoffe. Das Lithium aus Bitterfeld soll diese Lücke füllen.

Unabhängigkeit von China

Das Besondere an der neuen Raffinerie ist nicht nur ihre Produktionskapazität. Es geht vor allem um Europas Streben nach Unabhängigkeit. Bisher kam fast das gesamte veredelte Lithium für Batterien aus China. Europa hinkte hinterher.

Doch mit dieser Anlage macht Deutschland einen großen Schritt nach vorn.

„Der Aufholprozess ist hart, aber notwendig“, sagt Schimmelbusch.

Und das Tempo hat er vorgegeben. Während in Brüssel noch über Strategien diskutiert wurde, hat AMG Fakten geschaffen.

Das Lithium stammt aus Brasilien, aus einer Mine, die AMG ursprünglich für den Abbau von Tantal gekauft hatte. Dort werden die ersten Verarbeitungsschritte erledigt, bevor das Material nach Deutschland kommt. Dieser clevere Schachzug sichert die Rohstoffversorgung und umgeht die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten.

Trotz des strategischen Werts der Lithium-Raffinerie für Europa hat AMG das 150-Millionen-Euro-Projekt ohne nennenswerte Subventionen finanziert – ein deutliches Signal für die Langsamkeit der EU-Förderpolitik.

Warum Bitterfeld?

Dass die Anlage ausgerechnet in Bitterfeld steht, ist kein Zufall. Schimmelbusch hat bewusst auf Deutschland gesetzt. „Wir haben hier die nötige operative Qualität und das geschulte Personal“, sagt er. In einem so komplexen Prozess, wie der Herstellung von Lithiumhydroxid, komme es auf jedes Detail an. Deutschland sei in diesem Bereich unschlagbar.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen. Der hohe Strompreis in Deutschland könnte zum Problem werden. Doch Schimmelbusch hat auch hier vorgesorgt. Der energieintensivste Teil der Produktion wird in Brasilien erledigt, wo Wasserkraft den Prozess antreibt. In Bitterfeld geht es vor allem um die Veredelung – und das Know-how.

Die neue Anlage von AMG in Bitterfeld ermöglicht die lokale Verarbeitung von Lithium, einem entscheidenden Rohstoff für die Batterien der Elektrofahrzeuge von morgen.

Subventionen? Fehlanzeige

Trotz des großen politischen Interesses an einer europäischen Lithium-Lieferkette hat AMG das Projekt fast komplett selbst finanziert. „Es gab keine passenden Förderungen“, sagt Schimmelbusch.

„In den USA haben wir innerhalb von drei Monaten Unterstützung für unsere Recyclinganlage erhalten. In Europa dauert das alles viel zu lange.“

Dennoch ließ sich Schimmelbusch nicht beirren. Die 150 Millionen Euro für die Anlage in Bitterfeld kamen fast komplett aus eigenen Mitteln.