Syriens jüngste Bildungsreform sorgt für Aufruhr: Die neue Regierung hat Änderungen am Lehrplan angekündigt, die Kritiker als Beeinflussung in Richtung eines islamistischen Gedankenguts bewerten. Diese Woche veröffentlichte das Bildungsministerium mehrere Dokumente, die Anpassungen und Streichungen in den Schulfächern Arabisch, Geschichte, Naturwissenschaften, Sozialkunde und Religion auflisten.
Besonders kontrovers sind die Streichungen von Anspielungen auf die Regime des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad und seines Vaters Hafez al-Assad, wie Fotos, Erwähnungen der Armee und der Nationalhymne. Zusätzlich beunruhigt die Entfernung von Verweisen auf vorislamische Gottheiten und die Anpassung der Darstellung des Osmanischen Reiches. Kritiker befürchten, dass die Änderungen dazu dienen könnten, die religiöse Weltsicht der dominierenden islamistischen Rebellenfraktion Hayat Tahrir al-Sham auf eines der säkularsten Länder des Nahen Ostens zu überstülpen.
Rima Flihan, eine syrische Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin, wies darauf hin, dass die Löschung historischer Fakten und Errungenschaften antiker Zivilisationen kein Zufall sei. Bassam al-Kuwatli von der syrischen Liberalen Partei Ahrar forderte, dass solche bedeutenden Änderungen von Fachexperten begleitet werden sollten, anstatt von der Übergangsregierung einseitig durchgesetzt zu werden.
Angesichts des öffentlichen Unmuts erklärte Bildungsminister Nazir al-Qadri, dass das alte Curriculum beibehalten wird, bis neue Komitees die Schulbücher prüfen. Gleichzeitig bestätigte er, dass einige Passagen, die das Assad-Regime verherrlichen, entfernt werden sollen.
Die anhaltenden, teils heftigen Reaktionen der syrischen Bevölkerung verdeutlichen, dass die jüngsten Reformen Polarisierungen innerhalb der Gesellschaft verstärken könnten. In einer Zeit, in der Einheit und Versöhnung mehr denn je benötigt werden, sind diese Spaltungen eine zusätzliche Belastung.