Die deutsche Beratungsbranche hat ein Jahrzehnt des ungebremsten Wachstums hinter sich. Doch die Erfolgskurve flacht ab. Nachdem sich die Umsätze von Management-, IT- und Personalberatungen in den vergangenen Jahren zweistellig gesteigert hatten, liegt das Wachstum für 2024 nur noch bei 5,9 Prozent.
Erstmals überstieg das Marktvolumen die 50-Milliarden-Euro-Marke, doch Branchenexperten warnen: „Ein einstelliges Wachstum ist in unserer Branche bereits eine Krise“, so Dietmar Fink, Direktor der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB).
Veränderte Marktbedingungen: Mehr Berater als Aufträge
Während die Beratungshäuser in den vergangenen Jahren massive Einstellungswellen verzeichneten, treffen sie nun auf einen abgekühlten Markt. „Wir haben jahrelang von einer dynamischen Wirtschaft profitiert, in der Unternehmen konstant strategische Transformationen vorantreiben mussten.
Nun sehen wir eine deutliche Zurückhaltung bei den Kunden“, analysiert Bianka Knoblach, Geschäftsführerin der WGMB. Die wirtschaftliche Unsicherheit, insbesondere in der Industrie, dämpft die Nachfrage nach externen Beratern.
Gleichzeitig sorgen technologische Umbrüche wie die zunehmende Automatisierung durch Künstliche Intelligenz (KI) dafür, dass viele Unternehmen Aufgaben intern lösen, für die früher teure Beratungshonorare gezahlt wurden.
Diese neue Realität trifft insbesondere die großen deutschen Beratungshäuser hart. Roland Berger, lange Zeit Aushängeschild der heimischen Managementberatung, meldete für 2024 keine signifikante Umsatzsteigerung – ein harter Einschnitt nach einem Rekordjahr 2023.
CEO Stefan Schaible sieht die Ursachen in der Kombination aus Nachfragerückgang und zunehmendem Preiswettbewerb: „Wir haben uns bewusst entschieden, nicht jede Preissenkung mitzumachen. Unser Fokus liegt weiter auf profitablen Projekten.“
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„Subtiler Preiswettbewerb“: Neue Strategien zur Kundenbindung
Neben der gedämpften Nachfrage sehen sich die Beratungshäuser mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert: Preisdruck.
„Internationale Beratungsgiganten wie McKinsey und BCG haben neue Preismodelle eingeführt, um sich Marktanteile zu sichern. Viele Kunden hinterfragen inzwischen die traditionellen Tagessätze und verlangen mehr Flexibilität“, so Knoblach.
Besonders Unternehmensberatungen mit starken Mittelstandskunden spüren die Auswirkungen.
Auch spezialisierte Beratungsunternehmen wie Horváth, die 2023 noch zweistellige Wachstumsraten verzeichneten, erleben nun eine Stagnation. Helmut Ahr, CEO von Horváth, erklärt: „Wir haben uns für eine strategische Neuausrichtung entschieden, um die Margen zu sichern. Anstatt weiter stark zu expandieren, konzentrieren wir uns auf nachhaltige Geschäftsentwicklung.“
Künstliche Intelligenz als Bedrohung für traditionelle Beratung?
Ein weiterer Faktor, der das klassische Beratungsgeschäft ins Wanken bringt, ist die fortschreitende Digitalisierung. Immer mehr Unternehmen nutzen KI-gestützte Analysetools, um strategische Entscheidungen zu treffen, die bislang Beratern vorbehalten waren.
„Früher benötigte man für Marktanalysen ein komplettes Beraterteam – heute liefert eine spezialisierte KI innerhalb weniger Minuten detaillierte Einblicke“, so ein Brancheninsider. Dieser Wandel zwingt die Beratungen, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Während einige Häuser bereits KI-basierte Beratungslösungen in ihr Portfolio integrieren, warnen Experten davor, dass dies nicht ausreicht.
„Die Beraterbranche muss sich grundsätzlich neu erfinden – nicht nur mit technologischen Tools, sondern auch mit neuen, kreativen Beratungsansätzen“, sagt Fink.
Ein Jahr der Herausforderungen
Für 2025 erwarten Branchenbeobachter eine Fortsetzung des schwierigen Trends. Laut WGMB wird das Wachstum in Deutschland sogar leicht rückläufig sein. Während McKinsey und BCG durch globale Skaleneffekte und aggressive Marktstrategien weiterhin wachsen können, stehen deutsche Beratungshäuser vor einer echten Bewährungsprobe.
„Das erhöhte Kostenbewusstsein, das die Berater ihren Kunden seit Jahrzehnten gepredigt haben, trifft sie nun selbst“, so Fink. Unternehmen investieren weniger in externe Berater, suchen gezielt nach kostengünstigen Alternativen und verlangen mehr Transparenz. Wer sich diesen Anforderungen nicht anpasst, könnte auf lange Sicht ins Hintertreffen geraten.
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