Vor der Kamera in London, eingezwängt auf schmalen Hockern, offenbarte der Bayer-Vorstand unter der Leitung von CEO Bill Anderson eine bemerkenswerte Szenerie, die symbolisch für die prekäre Lage des Konzerns steht.
Die technischen Pannen zu Beginn unterstreichen die Herausforderungen, mit denen sich der über 160 Jahre alte Gigant konfrontiert sieht – eine Metapher für einen Konzern am Scheideweg.
Eine schmerzhafte Bilanz
Die Übernahme von Monsanto, einst als Meilenstein gefeiert, wirkt heute wie ein Alptraum, der das Image und den Aktienwert von Bayer nachhaltig beschädigt hat. Unter Andersons Führung, der seit fast einem Jahr das Ruder hält, hat sich der Aktienwert halbiert, ein weiteres Zeichen für das verlorene Vertrauen der Investoren.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Ein Umsatzrückgang von 1,2 Prozent auf 47,6 Milliarden Euro im letzten Jahr und ein Verlust von 2,9 Milliarden Euro statt eines erwarteten Gewinns. Die Aussichten für die kommenden Jahre versprechen keine Besserung, die Herausforderungen, insbesondere im Agrargeschäft und der Pharma-Pipeline, bleiben enorm.
Radikale Restrukturierung als Rettungsanker
In dieser Krisenzeit setzt Anderson auf ein unkonventionelles Restrukturierungsprogramm namens "Dynamic shared ownership", das die Bürokratie abbauen und neue Wachstumskräfte entfesseln soll.
Durch diese Strategie, die ab 2026 jährliche Einsparungen von zwei Milliarden Euro verspricht, will Anderson Bayer aus dem Tief holen. Doch es bleibt unklar, wie viele Arbeitsplätze diesem Sparprogramm zum Opfer fallen werden.
Keine Zerschlagung – vorerst
Trotz lauter Rufe nach einem Teilverkauf von Sparten oder einer Zerschlagung des Konzerns bleibt Anderson standhaft. Er argumentiert, dass eine Neuaufstellung des operativen Geschäfts Vorrang habe vor großen strukturellen Veränderungen. Doch die Zeit drängt, und die Geduld der Investoren ist endlich.
Die Dividendenkürzung – ein Signal an die Belegschaft
Die Entscheidung, die Dividende auf das gesetzliche Minimum zu senken, ist ein beispielloser Schritt in der Geschichte Bayers und ein deutliches Zeichen, dass Opfer von allen Seiten gefordert sind.
Die Unterstützung der Belegschaft für Andersons Kurs, trotz der drohenden Unsicherheit, unterstreicht die Bereitschaft zum Wandel.
Die Uhr tickt
Anderson gibt sich und Bayer zwei bis drei Jahre Zeit für diese Neuausrichtung. Doch die Warnung ist klar: Scheitert dieser Versuch, könnte dies das Ende von Bayer in seiner jetzigen Form bedeuten.
Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, nicht nur für die Zukunft des Konzerns, sondern auch für die gesamte deutsche Wirtschaftslandschaft.
Die Frage ist nicht mehr, ob sich Bayer verändern muss, sondern ob die Veränderung rechtzeitig kommt, um eine historische Tragödie abzuwenden.