21. November, 2024

Immobilien

Bauzinsen auf Talfahrt – Wie lange bleibt das Zinsniveau günstig?

Die Bauzinsen haben ein Jahrestief erreicht, doch Experten sind uneinig über die weitere Entwicklung. Werden die günstigen Konditionen anhalten oder steigen die Zinsen bald wieder?

Bauzinsen auf Talfahrt – Wie lange bleibt das Zinsniveau günstig?
Mit 3,28 Prozent liegen die Bauzinsen laut FMH-Index so niedrig wie seit Sommer 2022 nicht mehr. Doch Experten sind uneins, ob diese günstigen Konditionen anhalten werden.

Die gute Nachricht für potenzielle Immobilienkäufer: Die Bauzinsen sind derzeit so niedrig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Laut dem FMH-Index liegen die durchschnittlichen Zinsen für ein Darlehen mit zehn Jahren Zinsbindung aktuell bei 3,28 Prozent – ein Rekordtief für das Jahr 2024.

Einige Banken bieten sogar noch günstigere Konditionen mit Zinsen von bis zu 2,87 Prozent an, ein Niveau, das zuletzt im Sommer 2022 erreicht wurde. Doch während sich Baufinanzierer über diese günstigen Bedingungen freuen, stellt sich die Frage: Wie lange wird dieser Trend anhalten?

Der Einfluss der Inflation auf die Zinsen

Der aktuelle Rückgang der Bauzinsen ist eng mit der sinkenden Inflationsrate verbunden. Niedrigere Inflationsraten führen dazu, dass sich die Konditionen für Baukredite verbessern, da die Banken ihre Refinanzierungskosten am Kapitalmarkt reduzieren können.

Dennoch sind sich Experten uneinig, ob dieser Trend von Dauer sein wird. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung erklärt:

„Die Bauzinsen hängen stärker von der Entwicklung der Inflation ab als von den Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB).“

Das bedeutet, dass die Entwicklung der Inflationsrate in den kommenden Monaten ein entscheidender Faktor für die Zinsentwicklung sein wird.

Die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen beeinflussen die Bauzinsen maßgeblich. Sollten die Anleihenrenditen steigen, könnten die Bauzinsen ebenfalls wieder anziehen.

Optimistische Stimmen: Zinsen bleiben niedrig

Eine optimistische Prognose kommt von Mirjam Mohr, Vertriebsvorständin bei Interhyp, einem der größten Baufinanzierungsvermittler in Deutschland. Sie erwartet, dass die Zinsen auf dem aktuellen Niveau verharren werden.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Bauzinsen weiterhin um die 3-Prozent-Marke bewegen und die Immobilienpreise stabil bleiben“, erklärt sie.

Diese Einschätzung teilt auch die Hälfte der von Interhyp befragten Experten aus der Immobilienbranche. Sie gehen davon aus, dass die Notenbanken ihren aktuellen Kurs beibehalten und die Zinsen nicht weiter steigen werden.

Einige Experten prognostizieren sogar, dass die Leitzinsen bis Ende des Jahres gesenkt werden könnten. Sollte das eintreffen, könnten die Bauzinsen weiterhin günstig bleiben oder sogar noch weiter sinken. Doch auch hier herrscht keine Einigkeit.

Pessimisten erwarten steigende Zinsen

Auf der anderen Seite stehen Experten, die einen Anstieg der Bauzinsen in den kommenden Monaten für möglich halten. Ein Immobilienbanker, der von Interhyp befragt wurde, erklärt: „Der Inflationsausblick spricht eher für eine Stabilisierung auf höherem Niveau. Wir erwarten keine signifikante Zinssenkung, sondern rechnen mit einem Anstieg der Bauzinsen auf bis zu 4 Prozent bis Ende 2024.“


Lesen Sie auch:

Pirelli überrascht mit Investitionen in Deutschland – trotz globalem Kostenwettbewerb
Während viele Reifenhersteller ihre Werke in Deutschland schließen, geht Pirelli einen anderen Weg: Der italienische Konzern investiert kräftig in seine Fabrik im Odenwald. Eine Strategie, die sich am Premium-Markt orientiert und auf Nachhaltigkeit setzt.

Diese Einschätzung basiert auf der Annahme, dass die Inflation im Winter wieder ansteigen könnte. Sollte dies der Fall sein, könnten auch die Zinsen für Baufinanzierungen erneut anziehen.

Max Herbst bestätigt, dass die Bauzinsen in erster Linie von der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen beeinflusst werden, die stark von der Inflation abhängt. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Rendite der Bundesanleihen selten unter die Inflationsrate sinkt“, erklärt er. Sollten die Inflationszahlen also steigen, wäre eine Gegenbewegung bei den Bauzinsen sehr wahrscheinlich.

Die Bedeutung der Bundesanleihen für Bauzinsen

Weniger bekannt, aber ebenso entscheidend für die Zinsentwicklung ist die Rolle der Bundesanleihen. Banken refinanzieren ihre Immobilienkredite größtenteils über Pfandbriefe, die ähnlich wie Staatsanleihen funktionieren.

Während optimistische Experten von stabilen Bauzinsen ausgehen, warnt eine andere Gruppe vor einem möglichen Anstieg auf bis zu 4 Prozent bis Ende 2024, sollte die Inflation im Winter wieder steigen.

Diese Pfandbriefe sind durch Immobilien besichert und bewegen sich daher parallel zu den Renditen von Staatsanleihen. Das bedeutet, dass sich die Bauzinsen nicht unmittelbar an den EZB-Leitzinsen orientieren, sondern an den Renditen der Bundesanleihen.

Sollten die Renditen der Bundesanleihen steigen, was bei einer höheren Inflationsrate der Fall sein könnte, würden die Bauzinsen ebenfalls anziehen. Es bleibt daher entscheidend, wie sich die Inflationsrate in den kommenden Monaten entwickelt.

Aktuelle Bauzinsen und die Standardrate

Derzeit profitieren Baufinanzierer von den gesunkenen Zinsen, was sich auch in der sogenannten Standardrate niederschlägt. Diese Rate wird anhand eines Beispiel-Darlehens von 300.000 Euro mit einer zehnjährigen Zinsbindung und einer anfänglichen Tilgung von zwei Prozent berechnet.

Laut dem Finanzierungsvermittler Dr. Klein liegt die monatliche Rate für ein solches Darlehen aktuell bei 1.395 Euro – so günstig wie seit zwei Jahren nicht mehr. Im Sommer 2022 lag die Rate nur geringfügig niedriger bei 1.393 Euro.

Für Bauherren und Immobilienkäufer bedeutet dies eine spürbare Entlastung. „Die gesunkenen Zinsen machen den Traum vom Eigenheim für viele wieder realistischer“, erklärt ein Vertreter von Dr. Klein. Doch wie lange dieser Zustand anhält, hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Monaten ab.

Bauzinsen bleiben unberechenbar

Ob die Bauzinsen weiter sinken oder in den kommenden Monaten wieder ansteigen, bleibt schwer vorherzusagen. Während optimistische Experten auf stabile oder sogar fallende Zinsen hoffen, warnt eine ebenso große Gruppe vor steigenden Kosten aufgrund einer möglichen Inflationswelle im Winter.

Klar ist: Wer derzeit über einen Immobilienkauf nachdenkt, sollte die Marktentwicklung genau beobachten und möglicherweise die günstigen Konditionen nutzen, bevor die Zinsen wieder anziehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Warum das Leistungsprinzip wieder in den Fokus rücken muss
Die Bildungskrise in Deutschland verschärft sich: schlechtere Ergebnisse, sinkende Anforderungen und die Abwertung von Abschlüssen. Was jetzt fehlt, ist eine Rückbesinnung auf das Leistungsprinzip – und das Lesen als Schlüssel zum Denken.