Zwei Tage, zehn Prozent – ein Sektor unter Druck
Der europäische Bankensektor wurde zum Wochenausklang eiskalt erwischt: Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks rauschte in nur 48 Stunden um knapp zehn Prozent in die Tiefe.
Damit ist der Großteil der mühsam aufgebauten Kursgewinne aus Februar und März auf einen Schlag wieder dahin. Besonders betroffen: die Deutsche Bank und die Commerzbank, die allein in den letzten beiden Tagen rund 14 beziehungsweise 10 Prozent an Börsenwert eingebüßt haben.
Ein solcher Rückschlag kommt selten aus dem Nichts – und doch überrascht die Heftigkeit. Denn eigentlich galten Banken zuletzt wieder als Gewinner steigender Zinsen. Was also ist passiert?
Zölle, Zinsen, Zweifel
An den Märkten brodelt es. Die neuen US-Zölle – als geopolitisches Druckmittel gegen China gedacht – treffen vor allem Europa. Denn die Europäische Union ist nach China der zweitgrößte Faktor im Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten.
Und Deutschland wiederum ist innerhalb Europas der bedeutendste Exporteur. Das macht die Banken verwundbar – allerdings nicht direkt über Handelsvolumina, sondern über ihre Kreditbücher.
„Die Kreditwürdigkeit ganzer Branchen leidet“, warnt die Investmentbank Jefferies.
Besonders das produzierende Gewerbe, das stark auf Exporte angewiesen ist, steht unter Druck. Für Banken bedeutet das steigende Ausfallrisiken – und schwindendes Vertrauen der Investoren.
Commerzbank besonders exponiert
Besonders tief in der roten Zone steht die Commerzbank. Analysten sehen das Institut als überdurchschnittlich stark in zollgefährdeten Industrien engagiert. Maschinenbau, Automobilzulieferer, mittelständische Exportbetriebe – all das sind klassische Commerzbank-Kunden.
Noch im Februar war das Institut vom Markt für seine Fortschritte beim Umbau gelobt worden. Nun kehrt Unsicherheit zurück: Wie krisenfest sind die neuen Strukturen wirklich, wenn die nächste Exportflaute kommt?
Auch die Deutsche Bank rutscht weg
Noch härter erwischte es allerdings die Deutsche Bank. Fast 14 Prozent Kursverlust binnen zwei Handelstagen – das ist selbst für ein volatil gehandeltes Finanzhaus eine deutliche Zäsur. Zwar liegt die Aktie mit 19,25 Euro im XETRA-Handel noch deutlich über dem Vorjahresniveau – doch der Schwung scheint gebrochen.
Der Grund: Auch die Deutsche Bank hängt am europäischen Exportmotor – und hat gleichzeitig erhebliche Kapitalmarktverbindungen in Richtung USA und Asien. Das macht sie anfällig für Verwerfungen an gleich mehreren Fronten.
Die Zinswende kehrt sich um – erneut
Was der Branche zusätzlich zusetzt: Die Hoffnungen auf eine längerfristige Hochzinsphase bröckeln. Die schwächelnde Konjunktur könnte die Notenbanken zu früheren Zinssenkungen zwingen. Für Banken heißt das: sinkende Margen im Kreditgeschäft, weniger Spielraum für Gewinnsteigerungen.
Dabei waren es genau diese Hoffnungen, die im ersten Quartal für die Rally im Bankensektor gesorgt hatten. Nun droht das Kartenhaus erneut einzustürzen.
Kein Crash, aber ein Warnsignal
Noch sind keine Panikverkäufe zu beobachten, und fundamental sind viele europäische Banken besser aufgestellt als in früheren Krisenjahren. Dennoch zeigt der abrupte Kurssturz: Die Märkte reagieren extrem sensibel auf geopolitische Unsicherheit und geldpolitische Unklarheit. Es braucht nicht mehr viel, um Vertrauen zu erschüttern.
Die Commerzbank-Aktie notiert aktuell bei 20,52 Euro, ein Minus von fast fünf Prozent zum Vortag. Doch der eigentliche Verlust lässt sich nicht in Prozentpunkten messen – sondern in Fragen, die wieder offen sind: Wie robust ist das europäische Bankensystem, wenn die geopolitische Wetterlage dauerhaft rau bleibt?