Die Bank of Canada hat jüngst ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 3,75% gesenkt – ein historisch großes Wagnis, das sich die kanadischen Zentralbanker zuletzt vor über vier Jahren getraut haben. Die Entscheidung fiel im Glauben daran, dass der Druck seitens der Inflation weiterhin nachlassen würde. Die Niederschrift der Beratungen verrät jedoch auch, dass die Entscheidung nicht ganz so unumstritten war, wie es der klare Schnitt verrät. Zwar hatte das Komitee auch über eine bescheidenere Senkung um 25 Basispunkte diskutiert, doch war der Konsens letztlich stark genug für die große Maßnahme. Der ökonomische Datenfluss seit Juli hatte das Direktorium darauf hingewiesen, dass ein deutlicherer Schritt gerechtfertigt sei. Doch gab es auch Befürchtungen: Eine solch markante Senkung könnte als Zeichen wirtschaftlicher Turbulenzen verstanden werden und zu Erwartungen weiterer massiver Anpassungen führen. Inflationstechnisch bewegt sich Kanada auf dünnem Eis. Im September sank die Inflationsrate auf 1,6% und bewegt sich damit unter dem angepeilten Korridor der Bank von 1% bis 3%. Der hohe Leitzins hatte zwar die Preise gezügelt, jedoch auch das Wirtschaftswachstum ausgebremst, was sich in einem stagnierenden BIP im August niederschlug. Die kanadische Regierung unter Premierminister Justin Trudeau hat zudem Maßnahmen beschlossen, die ein Bremsen des Bevölkerungswachstums vorsehen und so in den kommenden Quartalen sowohl BIP als auch Konsum belasten könnten. Mit einem prognostizierten Rückgang der Bevölkerung um 0,2% in den Jahren 2025 und 2026 könnte ein Hemmschuh für den Konsum gesetzt werden. Doch hoffen Experten darauf, dass die Senkung der Zinsen letztlich stärkeres Wachstum unterstützen könnte. Die Ausschussmitglieder befassten sich zudem mit der Möglichkeit, dass niedrigere Zinssätze, zusammen mit einer aufgestauten Nachfrage und neuen Vorschriften zur Hypothekenqualifikation, die Immobiliennachfrage und -preise stärker als erwartet ankurbeln könnten.