Die Energiewende bekommt eine überraschende Wendung. Während Unternehmen weltweit auf CO₂-neutrale Energiequellen setzen, greifen die Tech-Giganten zu einer kontroversen Lösung: Atomkraft.
Der Software-Riese Microsoft kündigte kürzlich an, ein stillgelegtes Atomkraftwerk wieder ans Netz zu bringen, um seine Rechenzentren mit Strom zu versorgen. Im Fokus steht „Three Mile Island“, eine Anlage, die 1979 aufgrund eines schweren Reaktorunfalls weltweit Schlagzeilen machte.
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Doch was steckt hinter dieser Entscheidung? Warum setzen Unternehmen wie Microsoft, Google und Amazon auf Atomenergie, um den wachsenden Strombedarf ihrer KI-Rechenzentren zu decken?
Der wachsende Energiebedarf der Tech-Konzerne
Der Anstieg der Nachfrage nach künstlicher Intelligenz (KI) und Cloud-Diensten hat den Energieverbrauch der Tech-Industrie auf neue Höhen getrieben. KI-Modelle benötigen immense Rechenleistung, und die damit verbundenen Rechenzentren verschlingen Unmengen an Strom.
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Sergey Edunov, Metas Chef-Ingenieur für KI, schätzt, dass allein die H100-Chips von Nvidia, die 2023 verkauft wurden, die Leistung von zwei Kernkraftwerken erfordern. Meta selbst plant, bis Ende des Jahres 350.000 dieser Chips einzusetzen.
Was bedeutet das für die Stromnetze? Sie stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Besonders in Regionen mit hohem Bedarf, wie der US-Ostküste oder in Europa, reicht die vorhandene Infrastruktur oft nicht aus, um den gestiegenen Stromverbrauch zu decken.
Dies gilt auch für das europäische Stromnetz, obwohl es gut verknüpft ist. Die Herausforderung liegt darin, eine zuverlässige Energiequelle zu finden, die rund um die Uhr verfügbar ist.
Kernkraft als Lösung?
Die Antwort der Tech-Giganten: Kernenergie. Microsoft, Google und Amazon sehen Atomkraft als klimafreundliche und grundlastfähige Energiequelle. In ihren Nachhaltigkeitsberichten wird Kernkraft als „kohlenstofffreie Energie“ bezeichnet.
Google hat in seinem aktuellen Bericht erklärt, dass jegliche Energie, die kein CO₂ emittiert, darunter fällt – dazu gehört auch Kernkraft. Amazon plant ebenfalls, in Kernkraft zu investieren, um den steigenden Energiebedarf seiner Cloud-Dienste zu decken.
Rückkehr von Three Mile Island
Die Entscheidung, das Kernkraftwerk Three Mile Island wieder ans Netz zu bringen, sorgt für Aufsehen. In den USA gilt die Anlage als Symbol für die Gefahren der Atomenergie.
Dennoch will der Betreiber Constellation Energy mehr als 1,5 Milliarden Dollar in die Instandsetzung investieren. Microsoft hat einen langfristigen Vertrag über 20 Jahre abgeschlossen, um den Strom für seine Rechenzentren zu sichern.
Diese Entscheidung zeigt, wie dringend der Tech-Konzern nach zuverlässigen Energiequellen sucht.
Small Modular Reactors (SMR) als Zukunft der Kernkraft
Neben der Reaktivierung stillgelegter Anlagen setzen die Konzerne auch auf die Entwicklung neuer Technologien, wie Small Modular Reactors (SMR). Diese kleineren, effizienteren Reaktoren sollen kostengünstiger und sicherer sein als herkömmliche Atomkraftwerke.
Amazon sucht bereits nach Nuklearingenieuren, die den Einsatz von SMR in die zukünftige Energieplanung integrieren sollen. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates fördert aktiv ein SMR-Projekt im US-Bundesstaat Wyoming.
Risiken und Kritik
Die Rückkehr zur Atomkraft bleibt umstritten. Sicherheitsbedenken und ungelöste Fragen zur Endlagerung von Atommüll machen Atomenergie nach wie vor zu einer heiklen Wahl. Besonders in Europa, wo die Skepsis gegenüber Atomenergie groß ist, könnte diese Entscheidung auf Widerstand stoßen.
Thomas Walter Tromm vom Karlsruher Institut für Technologie erklärt jedoch, dass moderne Reaktoren, wie SMR, deutlich sicherer seien als die Kraftwerke der 70er und 80er Jahre.
Kann Atomkraft die Energielücke schließen?
Für die Tech-Branche ist Kernkraft eine pragmatische Lösung, um den enormen Energiehunger ihrer Rechenzentren zu stillen. Die Frage bleibt jedoch, ob die Risiken der Kernenergie angesichts neuer Technologien vertretbar sind. In den USA und Kanada scheint die Atomkraft wieder an Boden zu gewinnen, während in Europa die Diskussion weitergeht.
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