Der britische Pharmakonzern AstraZeneca sieht sich in China mit schweren Anschuldigungen konfrontiert. Der für den asiatischen Markt zuständige China-Chef Leon Wang wurde von den chinesischen Behörden festgenommen.
Wang, der den Posten des Executive Vice President für China und weitere asiatische Regionen innehat, kooperiere mit den Behörden, wie AstraZeneca am Mittwoch bestätigte.
Die Untersuchung der chinesischen Behörden betrifft mutmaßlich illegale Geschäftspraktiken, die Wangs Team und auch frühere Führungskräfte des Unternehmens in China involvieren sollen.
Illegale Medikamenteneinfuhr und Datensammlung
Im Zentrum der Ermittlungen steht der Verdacht, dass AstraZeneca-Mitarbeiter Medikamente wie das Brustkrebsmedikament Enhertu und das Leberkrebsmedikament Imjudo illegal aus Hongkong nach Festlandchina importiert haben könnten.
Beide Medikamente waren bis Juli 2023 in China nicht zugelassen, während in Hongkong bereits eine Genehmigung vorlag. Darüber hinaus sollen Mitarbeiter Patientendaten auf unrechtmäßige Weise gesammelt haben, um eine breitere Nutzung der Arzneimittel zu unterstützen.
Die Situation ist brisant: Der chinesische Markt zählt zu den wichtigsten Wachstumsmärkten für AstraZeneca, besonders im Bereich der Onkologie.
In einem Marktumfeld, das zunehmend strenge Vorgaben an den Datenschutz und Arzneimittelimport stellt, treffen diese Ermittlungen AstraZeneca besonders hart. Der Pharmakonzern, der für seine führende Rolle in der Krebsforschung bekannt ist, gerät nun in Erklärungsnot.
Verstrickung von Führungskräften erschüttert die Unternehmensführung
Neben Leon Wang befinden sich weitere leitende Mitarbeiter des Unternehmens im Visier der Ermittler. Zwei derzeitige sowie zwei ehemalige Führungskräfte sollen in die Vorfälle involviert sein.
Einer der betroffenen Ex-Mitarbeiter ist Eva Yin, heute Chief Commercial Officer beim Biotechnologie-Unternehmen BeiGene, ebenfalls ein prominenter Akteur im chinesischen Gesundheitssektor.
AstraZeneca zeigt sich kooperationsbereit und arbeitet eigenen Angaben zufolge eng mit den Behörden zusammen. Trotzdem ist der Reputationsschaden für das Unternehmen enorm.
Die Festnahme Wangs stellt eine empfindliche Zäsur dar – der Spitzenmanager hat den Erfolg von AstraZeneca in China maßgeblich mitgeprägt und galt als strategischer Kopf des Unternehmens für den asiatischen Markt. Dass eine derartige Führungsperson ins Zentrum strafrechtlicher Ermittlungen gerät, setzt das Management von AstraZeneca unter massiven Druck.
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Kritischer Moment für AstraZenecas Wachstum in China
China ist seit Jahren ein zentraler Markt für AstraZeneca, der mehr als 10 Prozent der globalen Umsätze des Unternehmens ausmacht. Besonders in der Onkologie und bei der Erforschung neuer Krebsmedikamente hat sich AstraZeneca in China einen Namen gemacht.
Doch das rigide regulatorische Umfeld sowie verschärfte Anforderungen an den Datenschutz machen es internationalen Unternehmen zunehmend schwer, ihre Geschäftsstrategien ohne rechtliche Fallstricke umzusetzen.
AstraZeneca betont, dass man alles tun werde, um die Ermittlungen zu unterstützen und die Vorwürfe aufzuklären. Doch das Risiko ist offensichtlich: Sollte sich herausstellen, dass systematisch gegen chinesische Vorschriften verstoßen wurde, drohen dem Konzern massive finanzielle Strafen und der Verlust seiner Marktstellung in einem der wichtigsten Zukunftsmärkte.
Ein unsicheres Kapitel für AstraZenecas Präsenz in Asien
Mit den Ermittlungen gegen den China-Chef und weitere Führungskräfte gerät AstraZeneca an einem kritischen Punkt in eine schwierige Lage. Die Kombination aus regulatorischem Druck und wachsenden Compliance-Anforderungen könnte den Pharmariesen zwingen, seine Strategien in China grundlegend zu überdenken. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob AstraZeneca sich erfolgreich aus der Krise manövrieren kann – oder ob die Ermittlungen die Reputation und das Wachstumspotenzial des Unternehmens in Asien dauerhaft beschädigen.