Die Münchener Traditionsfirma Arri hat Hollywood-Blockbuster wie "Schindlers Liste", "Skyfall" und "Gravity" mit ihren Kameras geprägt.
Doch hinter den Kulissen brodelt es: Eigentümerstreitigkeiten, ein schwieriger Markt und der abrupte Abgang eines Sanierungsexperten bringen das Unternehmen ins Wanken. Was ist passiert?
Krise hinter der glanzvollen Fassade
Arri ist eine Ikone der Filmbranche – und ein Musterbeispiel deutscher Ingenieurskunst. Das 1917 gegründete Unternehmen hat mehr als 20 Technik-Oscars erhalten, der letzte erst vor wenigen Wochen.
Doch während nach außen alles glänzt, sieht es intern düster aus. Die Marktbedingungen haben sich radikal verändert, die Konkurrenz wächst, und selbst innerhalb der Eigentümerfamilie Stahl gibt es Zoff. Die Folge: Ein Sanierer kam – und ging schon nach wenigen Monaten wieder.
Nun mischt sich der 82-jährige Patriarch Walter Stahl wieder ins Tagesgeschäft ein. Ein Befreiungsschlag oder ein Rückfall in alte Zeiten?
Von der Analog- zur Digital-Krise
Arri hat den Sprung ins digitale Zeitalter bislang gut gemeistert. Die High-End-Kamera Arri Alexa dominiert Hollywood, Streaming-Giganten wie Netflix setzen auf die Technik aus München.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Vor allem US-Hersteller wie Red oder Blackmagic setzen mit günstigeren, hochmodernen Digitalkameras Arri unter Druck. Und dann ist da noch die Künstliche Intelligenz: Schon heute lassen sich ganze Szenen synthetisch generieren – eine Bedrohung für klassische Filmtechnik.
Eigentümerstreit und Rückkehr des Patriarchen
Die Eigentümerstruktur des Unternehmens ist komplex. Seit der Übernahme der Anteile der Gründerfamilie Arnold durch die Familie Richter liegt die Kontrolle bei den Stahls. Doch harmonisch läuft es nicht.
Nach dem plötzlichen Tod von Florian Stahl 2019 rückte dessen älterer Bruder Christoph an die Spitze. Große Pläne – etwa ein Börsengang – verliefen jedoch im Sand. Stattdessen wurde Arri Anfang 2024 in eine GmbH umgewandelt, wohl auch um Kosten zu sparen und die Kontrolle direkter in den Händen der Familie zu halten.
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Spannend wird es mit dem Oktober 2024: Ein externer Sanierungsexperte, Stefan Mairiedl, sollte Arri wieder auf Kurs bringen. Doch kaum war er da, war er auch schon wieder weg. Stattdessen tauchte plötzlich Walter Stahl, der sich längst zurückgezogen hatte, wieder in der Geschäftsführung auf.
Interne Protokolle zeigen: Die Entscheidung war nicht unumstritten. Insbesondere die Quippini-Stiftung, hinter der seine Tochter Carolin Margarete Stahl steht, äußerte Bedenken.
Wirtschaftlicher Druck wächst
Corona war ein schwerer Schlag für die Filmbranche – und auch für Arri. 2020 rutschte das Unternehmen tief in die roten Zahlen: 18 Millionen Euro Verlust bei nur 300 Millionen Euro Umsatz.
Dann kam die Erholung, 2022 lag der Umsatz wieder bei 540 Millionen Euro, der Gewinn bei 54 Millionen. Doch das Jahr 2023 war erneut turbulent. Der Hollywood-Streik lähmte die Produktion, für Arri bedeutete das sinkende Umsätze und sogar Kurzarbeit.
In internen Unterlagen warnt die Geschäftsführung vor ernsten finanziellen Engpässen. Wichtige Kennzahlen für die kreditgebenden Banken seien Ende 2023 möglicherweise nicht mehr eingehalten worden. Die Eigentümer wissen, wie schlimm die Lage wirklich ist – sagen aber nichts.
Was bleibt von der Kamera-Ikone?
Arri ist eines der letzten großen deutschen Familienunternehmen im Bereich Filmtechnik. Noch immer gilt die Marke als Qualitätsmaßstab. Doch die Frage ist: Reicht das aus? Der Markt verändert sich schneller denn je, die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz krempeln die Branche um. Gleichzeitig droht das Unternehmen in internen Machtkämpfen zerrieben zu werden.
Ein Ende wie im Filmklassiker „Das Boot“, dessen packende Bilder einst mit Arri-Technik eingefangen wurden, wäre ein Drama für die deutsche Industrie. Noch hat das Unternehmen die Chance auf eine Wende. Aber es wird höchste Zeit, dass in München nicht nur über neue Kameratechnik diskutiert wird – sondern über eine echte Strategie für die Zukunft.
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