22. November, 2024

Finanzen

Angstsparen statt Konsum: Warum die Überschuldung sinkt, aber die Risiken bleiben

Die Zahl überschuldeter Menschen in Deutschland erreicht einen Tiefstand. Doch hinter der Statistik verbirgt sich ein düsteres Bild: Finanzielle Unsicherheiten nehmen zu, und neue Schuldenspiralen drohen – besonders bei jungen Verbrauchern.

Angstsparen statt Konsum: Warum die Überschuldung sinkt, aber die Risiken bleiben
Jeder vierte Deutsche nutzt BNPL-Modelle, vor allem Millennials und die Generation Z. Die Folge: steigende Überschuldung bei jungen Verbrauchern.

Die guten Nachrichten täuschen

Die Überschuldung in Deutschland sinkt – zum fünften Mal in Folge. Laut dem aktuellen Schuldneratlas von Creditreform waren 2024 noch 5,56 Millionen Menschen überschuldet, das sind knapp 100.000 weniger als im Vorjahr. Doch Grund zur Euphorie gibt es nicht. Der Hauptgrund für diesen Rückgang ist nicht Wohlstand, sondern Angst.

„Die Menschen geben weniger aus, weil sie vor der Zukunft zittern“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Wirtschaftsforscher bei Creditreform. Die Verunsicherung durch Inflation, Krieg und wirtschaftliche Unsicherheit hat die Sparquote auf ein Rekordniveau getrieben.

Während der Konsum stockt, leidet die Binnenwirtschaft. Das Handelsverband Deutschland spricht von einem realen Nullwachstum im Einzelhandel.

Sparen, aber nicht für alle

Nicht jeder kann überhaupt sparen. Besonders Geringverdiener stehen weiter unter Druck. Steigende Preise für Energie und Lebensmittel treffen Haushalte mit niedrigen Einkommen am härtesten, weil sie einen großen Teil ihres Geldes für Grundbedürfnisse ausgeben müssen. Für Rücklagen bleibt da kaum Raum.

Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Überschuldungszahlen nieder: Während einige Gruppen ihre Finanzen stabilisieren, steigen die Überschuldungsfälle bei anderen an. Besonders betroffen sind Dauerüberschuldete, junge Erwachsene und Senioren.

Die Zahl überschuldeter Menschen sinkt auf 5,56 Millionen – weniger aus Wohlstand, sondern aus Furcht vor wirtschaftlicher Unsicherheit.

Junge Menschen und die neue Schuldenspirale

Junge Verbraucher stehen vor einem doppelten Problem: gestiegene Lebenshaltungskosten und ein unüberlegter Umgang mit Finanzierungsmodellen wie „Buy now, pay later“ (BNPL). Laut einer Umfrage von Adyen hat bereits ein Viertel der Deutschen diese Zahlungsoption genutzt – besonders beliebt bei Millennials und der Generation Z.

Das Problem: BNPL verleitet dazu, größere Einkäufe zu tätigen, ohne sofort zu bezahlen. Doch viele unterschätzen die langfristigen Kosten. Das Resultat ist eine wachsende Zahl an harten Überschuldungen bei den Jüngeren – Fälle, die bis zur Privatinsolvenz führen können.

Senioren: Arbeiten statt Ruhestand

Auch ältere Menschen bleiben nicht verschont. Die Gruppe der über 70-Jährigen verzeichnet den stärksten Anstieg an Überschuldungsfällen im Zehn-Jahres-Vergleich. Viele Rentner müssen arbeiten, um über die Runden zu kommen. 2023 waren laut EU-Arbeitskräfteerhebung 13 Prozent der Menschen zwischen 65 und 74 Jahren in Deutschland erwerbstätig. Ob sie arbeiten müssen oder freiwillig tätig sind, bleibt jedoch unklar.


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Mit durchschnittlich 57.000 Euro Schulden pro Fall sind Senioren die am stärksten belastete Gruppe. Dabei sind sie oft besonders anfällig für finanzielle Schieflagen, da steigende Kosten für Pflege und Lebensunterhalt sie schneller in die Krise treiben können.

Arbeitsmarkt als Unsicherheitsfaktor

Die positive Entwicklung könnte schon bald kippen. Creditreform warnt, dass die Wirtschaftskrise zunehmend auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. Steigende Arbeitslosigkeit und der Verlust gut bezahlter Stellen – wie bei VW und Bayer sichtbar – werden die Überschuldung wieder nach oben treiben.

„Ein sicherer Arbeitsplatz bleibt der beste Schutz vor Schulden“, betont Hantzsch.

Doch die Pandemie hat gezeigt, wie schnell auch andere Faktoren wie Krankheit und psychischer Druck eine Schuldenfalle auslösen können.