07. September, 2024

Wirtschaft

Amazon im Visier italienischer Behörden: 121 Millionen Euro eingefroren

Amazon im Visier italienischer Behörden: 121 Millionen Euro eingefroren

Die italienische Finanzpolizei hat 121 Millionen Euro von einer Mailänder Einheit des E-Commerce-Riesen Amazon beschlagnahmt, nachdem dem Unternehmen vorgeworfen wurde, in ein komplexes Netz aus Steuerbetrug und Arbeitsrechtsverstößen verwickelt zu sein.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft erklärte am Dienstag in einem Beschluss, der die Beschlagnahme genehmigte, dass Amazon Italia Transport durch die Verschleierung der wahren Natur der Beziehungen zu seinen Kurieren ein 'komplexes Steuerbetrugssystem' aufgebaut habe. Demnach wird Amazon vorgeworfen, über formell unabhängige Subunternehmer agiert zu haben, die systematisch erforderliche Mehrwertsteuer sowie Sozial- und Wohlfahrtsbeiträge nicht abgeführt hätten.

Amazon reiht sich damit in eine Serie großer Logistikunternehmen ein, die von den italienischen Behörden hinsichtlich ihrer Steuer- und Arbeitspraktiken geprüft wurden. Zuvor waren bereits Gelder von globalen Anbietern wie DHL und United Parcel Service beschlagnahmt worden.

In dem 94-seitigen Beschluss hieß es weiter, dass Amazon Italia Transport, eine Tochtergesellschaft von Amazon Europe, die 2016 gegründet wurde, die 'spezifischen Arbeitgeberrechte' über die Kuriere ausgeübt habe. Dazu gehörten die Organisation der einzelnen Kurieraktivitäten, die Verwaltung ihrer Einsätze, die Überwachung ihrer Arbeit sowie die Bereitstellung der notwendigen Computer- und IT-Ausrüstung.

Durch die Errichtung einer 'komplexen, betrügerischen Pyramidenstruktur', bei der formal unabhängige Arbeitskraftanbieter und verschiedene Zwischenhändler involviert waren, habe Amazon es geschafft, Steuer- und weitere arbeitsbezogene Zahlungen zu umgehen und damit seine Preise wettbewerbsfähig zu halten.

Die beschlagnahmten Gelder beziehen sich demnach auf die mutmaßlichen Verfehlungen im Zeitraum von 2017 bis 2022. Amazon wiederum wies jegliches Fehlverhalten zurück. 'Wir halten uns an alle geltenden Gesetze und Vorschriften in den Ländern, in denen wir tätig sind, und verlangen dasselbe von unseren Partnerunternehmen,' hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens am Dienstag.

Amazon betonte, dass das Unternehmen und seine Partner die 'höchsten Standards' einhalten und dass Lieferanten einem Verhaltenskodex folgen müssten. Man werde mit den zuständigen Behörden kooperieren, um die Ermittlungen zu unterstützen.

Amazon steht schon lange wegen der Behandlung seiner Arbeitskräfte in der Kritik. Erst diesen Monat scheiterte in einem britischen Lagerhaus ein Abstimmungsversuch zur gewerkschaftlichen Anerkennung.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft sieht die Beziehung zwischen Amazon und den Kurieren, die seine Lieferungen ausführen, als Verletzung des italienischen Arbeitsrechts. Hinter den formellen juristischen Verträgen und Rechnungen zwischen Amazon Italia und den Beschäftigungslieferanten entdeckten die Ermittler 'die Existenz einer einheitlichen wirtschaftlichen Einheit', die in jeder Hinsicht von Amazon Italia Transport gesteuert, verwaltet und organisiert werde.

Die Amazon-Tochter übe direkte Befugnisse über die Kuriere aus, die formell von unabhängigen Arbeitskraftanbietern angestellt seien, welche keine operative Autonomie besäßen. Der Beschluss betont, dass diese Anbieter über keine Handlungsfreiheit verfügten.

Der Fall Amazon folgt nur wenige Monate auf die Beschlagnahmung von 94,5 Millionen Dollar von der lokalen Einheit des US-basierten Lieferservices UPS, dem vorgeworfen wurde, als direkter Arbeitgeber für über 8.500 Arbeiter zu fungieren, die formell bei einer autonomen Arbeitskooperative beschäftigt waren. Ähnliche Ermittlungen führten 2021 zur Beschlagnahmung von 20 Millionen Euro bei DHL.