Der Schock sitzt tief in Görlitz. Der französische Zughersteller Alstom wird das traditionsreiche Werk in der ostsächsischen Stadt bis März 2026 schließen. Rund 700 Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Grund für die Schließung ist die strategische Verlagerung von Rohbauarbeiten nach Osteuropa – ein Schritt, der Teil einer umfassenden Umstrukturierung der deutschen Standorte ist.
Die Nachricht kam nicht völlig überraschend. Schon seit Längerem wird über eine Neuausrichtung bei Alstom spekuliert, doch jetzt sind die Details klar. Auch an den Standorten in Henningsdorf, Kassel und Mannheim stehen Veränderungen an, die das Bild der Zugproduktion in Deutschland nachhaltig verändern werden.
Rohbauarbeiten nach Osteuropa – ein harter Schlag für Görlitz
Das Görlitzer Werk, das auf eine stolze 175-jährige Geschichte zurückblicken kann, produziert derzeit unter anderem Doppelstockwagen für Israel. Doch in Zukunft werden diese Arbeiten im Ausland erledigt.
Für die Beschäftigten in Görlitz heißt das: Perspektivlosigkeit. Trotz „fortgeschrittener vertraulicher Gespräche“ mit einem industriellen Partner, der den Standort übernehmen könnte, bleibt die Lage angespannt.

Der Betriebsratsvorsitzende René Straube nannte die Entscheidung „ganz bitter“. Er befürchtet nicht nur einen Verlust von Arbeitsplätzen, sondern auch einen Qualitätsverlust durch die Verlagerung ins Ausland. „Ich finde das unglaublich tragisch“, kommentierte er. Ein weiterer Traditionsstandort der deutschen Industrie scheint vor dem Aus zu stehen.
Umbaupläne für Henningsdorf und Kassel
Doch Görlitz ist nicht das einzige Werk, das betroffen ist. Auch in Henningsdorf, Brandenburg, sollen keine neuen Fahrzeuge mehr gebaut werden. Stattdessen sollen laufende Projekte an die Standorte Bautzen und Salzgitter verlagert werden.
Henningsdorf wird dafür zum Schlüsselstandort für Digitalisierung und Service ausgebaut, was langfristig zu einem Anstieg im Service-Geschäft führen könnte. Für die Mitarbeiter bedeutet das jedoch ebenfalls einen radikalen Wandel.
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Auch das Werk in Kassel bleibt Produktionsstandort, wird sich jedoch auf spezielle Bereiche konzentrieren. Das Volumen an diesem Standort soll stabil bleiben, was immerhin eine gewisse Sicherheit für die dortigen Beschäftigten bietet.
Verlagerung nach Frankreich und Verkauf von Immobilien in Mannheim
In Mannheim sieht die Situation ähnlich aus. Dort werden sich die Aktivitäten auf Digitalisierung und Entwicklung konzentrieren. Allerdings plant Alstom, ein Werksgebäude zu verkaufen. Zudem sollen Entwicklungsarbeiten und das Projektmanagement für alternative Antriebstechnik nach Frankreich verlagert werden. Auch hier sorgt die Entscheidung für Unsicherheit.

Der Umbau bei Alstom steht im Zeichen der Spezialisierung. Das Unternehmen plant, seine Standorte in Deutschland auf bestimmte Kernkompetenzen zu fokussieren, während kostengünstigere Arbeiten ins Ausland verlagert werden. Ein Konzept, das zwar betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheinen mag, aber große soziale und industrielle Folgen haben könnte.
Die Zukunft der Zugproduktion in Deutschland
Die Schließung des Görlitzer Werks ist nicht nur ein Schlag für die Region, sondern auch für die deutsche Industrie. Zugleich stellt sich die Frage, ob Alstoms Strategie, auf Digitalisierung und alternative Antriebstechniken zu setzen, langfristig Früchte tragen wird.
Klar ist: Mit der Verlagerung nach Osteuropa spart das Unternehmen Kosten, doch der Preis dafür könnte hoch sein – nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Qualität und Innovationskraft der deutschen Zugindustrie.
Der geplante Umbau von Henningsdorf als Digitalisierungsstandort und die Umstrukturierungen in Kassel und Mannheim zeigen, dass Alstom versucht, sich zukunftssicher aufzustellen. Doch es bleibt abzuwarten, ob diese Strategie aufgehen wird. Für die Belegschaft in Görlitz wird dies nur ein schwacher Trost sein.