Die Frage nach einer möglichen Jahresendrally beschäftigt die Anleger am deutschen Aktienmarkt. Nach drei Gewinnwochen des Dax könnte die Luft zwar dünner werden, doch Experten zeigen sich optimistisch für den weiteren Verlauf. Laut einer Umfrage der Bank of America werden Aktien von Fondsmanagern im November erstmals seit April 2022 wieder übergewichtet.
"Wenn Inflations- und Zinsangst nachlassen, kommen Aktien ins Spiel", erklärt Baader-Bank-Experte Robert Halver. Für die Aktienmärkte wirke dies "wie eine Aufbauspritze". Insbesondere Aktien aus dem MDax und SDax haben laut Halver ein großes Potenzial. Während der Dax in diesem Jahr bereits um etwa 14 Prozent zulegte, betrugen die Gewinne seiner kleineren Brüder 5 beziehungsweise 11 Prozent.
Dank des Anstiegs um fast 9 Prozent seit dem Oktober-Tief rückt die Marke von 16.000 Punkten für den Dax wieder in greifbare Nähe. Der Leitindex liegt mittlerweile über der 200-Tage-Linie, was als positives Signal gewertet wird. "Technisch gesehen steht einer Jahresendrally inklusive neuer Rekorde nichts im Wege", äußert sich Börsenexperte Jürgen Molnar von Robomarkets optimistisch. Der bisherige Rekordwert datiert aus dem Juli und lag knapp unter 16.529 Punkten.
"Die Fed hält aus Glaubwürdigkeitsgründen den moralischen Zeigefinger einer möglichen weiteren Zinserhöhung hoch", so Baader-Experte Halver. Dennoch wächst bei Anlegern die Fantasie auf Zinssenkungen. Angesichts der aktuellen Entwicklung der US-Verbraucherpreise hält Halver eine Kerninflation von zwei Prozent im Jahr 2024 für möglich. Die Terminmärkte preisen bereits eine erste von insgesamt vier Zinssenkungen ab Mai nächsten Jahres ein.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer weist jedoch darauf hin, dass der aktuelle Aufschwung auch das Risiko einer nachlassenden Rally birgt. Dabei verweist er auf den Relative Stärke Index (RSI) des Dax, der wieder die Marke von 70 erreicht hat, ein Niveau, das auf eine "überkaufte" Marktsituation hinweist. Der wichtigste Grund für seine Skepsis sind jedoch die zu hohen Gewinnerwartungen für die Dax-Werte.
In dieser Woche stehen einige Ereignisse an, die Auswirkungen auf die bisherige November-Rally haben könnten. Die Experten der Landesbank Baden-Württemberg verweisen auf die nach US-Börsenschluss erwarteten Zahlen von Nvidia, einem der größten Profiteure im Bereich Künstliche Intelligenz.
Zudem wird sich in der Thanksgiving-Woche in den USA zeigen, ob der Konsum der Verbraucher eine solide Stütze für die Konjunktur ist. Der "Black Friday" nach dem US-Feiertag hat in der Regel große Bedeutung für das Weihnachtsgeschäft.
Die Berichtssaison der Unternehmen ist dagegen vorbei, aber einige Kapitalmarkttage von Dax-Konzernen könnten das Interesse der Anleger wecken. Rheinmetall, ein Profiteur der Aufrüstung, will neue mittelfristige Ziele bekannt geben. Bei Siemens Energy wird am Dienstag intensiv diskutiert werden, da die schwierige Lage des Energietechnik-Konzerns staatliche Garantien erforderlich machte.
Konjunktursignale werden in den kommenden Tagen rar sein. Am Freitag könnte jedoch der Ifo-Geschäftsklimaindex Auswirkungen haben. Es könnte jedoch noch zu früh sein, um Anzeichen einer möglichen Bremseffekte durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu sehen, einen Nachtragshaushalt der Ampel für verfassungswidrig zu erklären. Das Gericht hatte die Verwendung von Corona-Krediten für Klimaprojekte als verfassungswidrig eingestuft. Laut DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater müssen die Konjunkturdaten aufgrund dieser Entscheidung genau beobachtet werden.
"Das Ifo-Geschäftsklima wird sich voraussichtlich weiter verbessern", sagen die Experten der Landesbank Helaba voraus, nachdem der ZEW-Index positive Vorzeichen gezeigt hat. Dieser stieg im November bereits zum vierten Mal in Folge. Für das Ifo-Geschäftsklima erwarten sie einen Wert von 87,3 Punkten, während die Commerzbank sogar von 87,5 Punkten ausgeht.