Der europäische Flugzeughersteller Airbus hatte große Pläne: Bis 2035 sollte ein revolutionärer Wasserstoff-Flieger die kommerzielle Luftfahrt nachhaltig verändern. Nun folgt die Kehrtwende.
Das ehrgeizige Projekt „Zero-E“, das ursprünglich als Vorreiter für eine klimaneutrale Luftfahrt galt, wird massiv eingedampft. Weniger Budget, weniger Ingenieure, ein verschobener Zeitplan – und am Ende bleibt von der groß angekündigten Zukunftsvision nur ein konservatives, propellergetriebenes Kleinflugzeug.
Die Gründe für diesen radikalen Kurswechsel sind vielschichtig: technologische Herausforderungen, hohe Kosten und eine veränderte wirtschaftliche Stimmungslage, die Klimainitiativen zunehmend ausbremst.
Vom Vorzeigeprojekt zur Randnotiz
Vor fünf Jahren präsentierte Airbus-CEO Guillaume Faury ambitionierte Pläne. Ein futuristischer Nurflügler mit Wasserstoff-Antrieb, emissionsfrei und revolutionär – so sollte die Luftfahrtindustrie die Wende schaffen.
Doch auf der jüngsten Jahrespressekonferenz in Toulouse war von diesem Konzept nichts mehr zu sehen. Stattdessen zeigte Airbus ein völlig anderes Bild: Ein kleines, konventionell aussehendes Flugzeug mit einem offenen Rotor.
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Schon vor der Konferenz kursierten Gerüchte über einen Strategiewechsel. Französische Gewerkschaften berichteten, dass Airbus die Entwicklung von Wasserstoff-Flugzeugen um mindestens zehn Jahre nach hinten verschiebe.
Auch die für 2026 geplanten Testflüge mit einem modifizierten A380, der erstmals eine wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle an Bord haben sollte, wurden gestrichen. Offiziell bleibt Airbus zwar dabei, an der Technologie zu forschen, doch intern ist klar: Das Wasserstoff-Projekt spielt ab sofort nur noch eine Nebenrolle.
Ein Symbol für den globalen Rückzug aus ambitionierten Klimazielen?
Die Entscheidung von Airbus kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Während die Klimapolitik in Europa an Einfluss verliert, könnte der mögliche Wiedereinzug von Donald Trump ins Weiße Haus einen weiteren Rückschlag bedeuten.
Schon jetzt stehen viele Unternehmen unter Druck, ihre Investitionen in „grüne“ Technologien zu überdenken. Die Frage ist: Fügt sich Airbus nur der neuen wirtschaftlichen Realität oder gab es von Anfang an übertriebene Hoffnungen in die Wasserstoff-Technologie?
CEO Faury versuchte, den Strategiewechsel herunterzuspielen. „Dekarbonisierung bleibt unsere Priorität“, sagte er – sprach dann aber vor allem über nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) anstelle von Wasserstoff. Tatsächlich sind die Fortschritte bei grünem Wasserstoff weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Die Infrastruktur für Produktion und Verteilung ist unzureichend, und die Herstellung bleibt teuer. Airbus setzt daher zunehmend auf synthetisches Kerosin – eine Lösung, die technisch und wirtschaftlich schneller umsetzbar ist als die vollständige Umstellung auf Wasserstoff.
Technische Hürden: Warum Wasserstoff-Flugzeuge nicht so schnell kommen werden
Viele Experten hatten von Anfang an Zweifel an der Wasserstoff-Strategie. Heinrich Großbongardt, ein Luftfahrtexperte, sieht Airbus’ Kehrtwende als Eingeständnis der Realität:
„Das Wasserstoffflugzeug war von Beginn an ein eher politisch getriebenes Projekt ohne realistischen Zeitkorridor.“
Die größten Herausforderungen liegen in drei Bereichen:
- Speicherung und Tanks: Wasserstoff hat eine viermal geringere Energiedichte als Kerosin, wodurch die Tanks extrem groß ausfallen müssten. Aufgrund der notwendigen Kühlung auf -253 °C können sie nicht einfach in den Tragflächen untergebracht werden. Das macht eine wirtschaftliche Integration in Flugzeuge schwierig.
- Energieeffizienz: Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellen liegt bei maximal 50 Prozent. Dadurch entsteht erhebliche Abwärme, die abgeführt werden muss. Dies erfordert große Wärmetauscher, die zusätzlichen Platz und Energie benötigen.
- Eingeschränkte Reichweite: Selbst optimistische Prognosen sehen Wasserstoff höchstens im Regionalflugverkehr. Langstreckenflüge, auf denen 75 Prozent der CO₂-Emissionen der Luftfahrt entstehen, wären mit Wasserstoff unwirtschaftlich.
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Diese technologischen Einschränkungen sind einer der Hauptgründe, warum Boeing – der größte Konkurrent von Airbus – nie ernsthaft auf Wasserstoff gesetzt hat. Stattdessen bleibt Boeing beim klassischen Verbrenner, optimiert jedoch seine Flugzeuge für die Nutzung von SAF. Damit könnte Boeing langfristig die wirtschaftlichere Strategie fahren.
Airbus neue Strategie: Fokus auf Effizienz und synthetisches Kerosin
Der Rückzieher von Airbus zeigt, dass die Zukunft der Luftfahrt wohl anders aussehen wird als viele gehofft hatten.
Anstelle von revolutionären Wasserstoff-Flugzeugen wird die Branche auf einen Mix aus effizienteren Flugzeugmodellen, alternativen Kraftstoffen und schrittweisen technologischen Verbesserungen setzen. Bereits heute verbrauchen moderne Verkehrsflugzeuge wie der A320neo rund 20 Prozent weniger Kerosin als ihre Vorgänger. In der nächsten Generation sollen weitere 20 Prozent eingespart werden.
Zudem will Airbus weiterhin in die Entwicklung von Hybrid-Antrieben und synthetischem Kerosin investieren. Diese Treibstoffe können in bestehenden Flugzeugmodellen eingesetzt werden, ohne dass eine komplett neue Infrastruktur benötigt wird. Das spart nicht nur Kosten, sondern beschleunigt auch die Umsetzung.
Ein Dämpfer für die deutsche Wasserstoff-Forschung
Die Kehrtwende von Airbus wird insbesondere in Deutschland für Enttäuschung sorgen. Hier gibt es zahlreiche Initiativen zur Entwicklung von Wasserstoff-Luftfahrttechnologien.
In Hamburg betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) intensive Forschung auf diesem Gebiet. Auch der Münchener Triebwerkshersteller MTU setzt stark auf Wasserstoff-Antriebe. Doch Airbus’ Kurswechsel könnte dazu führen, dass diese Projekte an Bedeutung verlieren.
Airbus-CEO Faury hatte auf der Pressekonferenz noch betont, dass man weiterhin an Wasserstoff arbeite. Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Nur noch 50 Airbus-Ingenieure befassen sich mit Wasserstoff – während 950 Mitarbeiter an der Weiterentwicklung klassischer Verbrennungsmotoren arbeiten.